ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel
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mit Boris Kochan und Freunden am 11. August 2024 |
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{% if data:du_version:"" %}[[data:du_version]],{% elseif data:anrede == "Herr" %}Lieber Herr [[data:lastname]],{% elseif data:anrede == "Frau" %}
Liebe Frau [[data:lastname]],{% else %}Sehr geehrte Damen und Herren,{% endif %}
»wenn alles Content ist, ist alles nichts.« Nachdem alles, »was sich auf einem Telefon, einem Pad, einem Laptop oder auf sonst einem Computer abrufen lässt« Content ist, wenn die neue Platte von Cigarettes after Sex genauso Content ist »wie eine Aufnahme der Bach’schen Kunst der Fuge von Igor Levit«, wenn Russia today, »die Mantler-Schwestern oder der 17,2 Millionen Follwers habende Bastian Schweinsteiger Content sind«, dann despezifiziert dies Texte, Musik, Bilder, Töne jeder Art. Schreibt der ehemalige Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, Kurt Kister, in einem lesenswerten Beitrag unter dem schönen Titel Der Teufel liegt im Content: »Content ist ein Gleichmacherwort. Wenn alles, was digital abbildbar ist,« nur genau deswegen als Content firmiert, dann ist das so, »wie wenn Bilderrahmenhersteller die Definitionshoheit hätten, die Mona Lisa, eine Giclée-Kopie von Franz Marcs blauem Pferd und ein Großfoto von Claudia Roth als (Rahmen-)Inhalt« zu bezeichnen. Only for a limited time: Wer sich den Wandel als Thema auf die Fahnen geschrieben hat, der darf und kann und muss sich auch mit der Vergänglichkeit, eben auch mit dem Verlust von Differenziertheit im Content, beschäftigen. Was uns gestern noch lieb und teuer war, ist heute möglicherweise nur noch eine Anekdote, ein Treppenwitz oder gar in Vergessenheit geraten. Die Idee vom Leben als langer, ruhiger Fluss vergisst nur zu gerne, dass es auf dem Weg sehr tiefe, dunkle Momente oder gefährliche Stromschnellen gibt – wie manchmal auch Untiefen. Diese mögen sich dann als Furt anbieten, über die man den Fluss queren kann, aber dabei, ob der Leichtigkeit, wenig Erkenntnisgewinn hat. Erst das Verschwinden erinnert uns häufig an den Wert, den ein Ort, eine Sache oder auch ein Wort für uns gehabt haben. Ganz manierlich ist eine solche untergegangene Begrifflichkeit: Angesiedelt irgendwo zwischen beschissen und geht schon ganz ok, hatte das zu Bewertende zumindest so viel Aufmerksamkeit genossen, dass es überhaupt einer (sehr durchschnittlichen) Bewertung für Wert befunden wurde. Insofern irgendwie passend zum undifferenzierten Begriff Content. Oder wie endet Kisters Beitrag: »Wahrscheinlich wird der Ersatz von Kreativität für die Optimierung künstlicher Intelligenz das nächste große Ding werden. Unindividuellen, nicht kreativ wirkenden Content zu schaffen, hat die KI schon ganz gut drauf. Die KI und die Contentleute sind Freunde. Sie werden es bleiben.« Wir verabschieden uns mit dieser 8daw-Ausgabe über Verlorengegangenes bzw. den Wandel der Wörter in die Sommerpause – nicht, ohne vergnügt eine andere, kaum noch gebräuchliche Formel zu nutzen: – nach Diktat verreist – Herzlich Boris Kochan
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Bereits im vierten Sommer seit der Begründung von 8daw verabschiedet sich die Redaktion in ihre Sommerpause mit Literaturempfehlungen für die hoffentlich entspannte Jahreszeit. Aufgrund der 8daw-Studienreise nach Armenien wird die erste Herbstausgabe dann erst nach dem 15. September erscheinen.
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Der New Yorker Kommunikationsdesigner Kellen Renstrom verbindet in seinen freien Arbeiten immer wieder Körperlichkeit und Typografie: »Normalerweise zerreiße ich Papier oder zeichne mit verschiedenen Substanzen oder drucke und scanne wieder und wieder.« Als »so eine Art Remixer« ist er oft in Archiven oder auch auf der Straße unterwegs, um Dinge zu finden, die er zerhacken und verschrauben kann. Scheinbare Profanes wie »Wassertürme, Verkaufsschilder, Naturphänomene« sind für ihn visuelle Puzzlesteine, mit denen er den Blick auf das Alltägliche neu modelliert, »bis es mit einer neuen Magie oder einem neuen Geheimnis auftaucht«. In seiner, diese 8daw-Ausgabe begleitende Serie For a limited time verschmelzen Schrift und Untergrund ins Vergängliche …
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Das Debüt-Werk des Regisseurs Étienne Chatiliez erzählt vom Leben als langer, ruhiger Fluss. Er lässt Pflanzen, Tiere, Menschen kommen, blühen und vergehen, übergießt das vormals Unentbehrliche mit neuen Farben und Möglichkeiten, wandelt Moden, schwemmt Worte an oder fort. Um manche ist es nicht schade, der oder die Vokuhila zum Beispiel. Wobei dieses Wort netter klingt (ein brasilianischer Kampf-Tanz? Ein hawaiisches Blasinstrument?), als die so bezeichnete Sache aussieht: Die Vokuhila (vorne kurz, hinten lang) ist die Bezeichnung einer Lieblingsfrisur der 80er Jahre: ponykurzer Oberkopf, schulterlang im Nacken – weswegen sie auch als Nackentapete, Manta-Matte oder Nackenspoiler bekannt war. Rockgrößen wie David Bowie oder Rod Steward (der sich bis heute nicht vom fetzigen Haarschnitt trennen mag) bahnten ihr den Weg auf die Bühnen und in den Alltag. Dieter Bohlen und Thomas Anders überantworteten den Haircut schließlich uneingeschränkter Geschmacklosigkeit. Und der Fluss nahm ihn mit sich.
Undercuts tauchten auf, der Bob wurde zum Klassiker. Doch dann, überraschend wie das Erscheinen der Bienen-Ragwurz im Raum München, wurde die Vokuhila wieder gesichtet, vorne busy, hinten relaxed, kurz & lang, männlich & weiblich, trans, queer, maximal genderflexibel, megaaktuell. Das könnte belegen, dass der lange, ruhige Fluss auch die Kurve kennt, die wilde Verknotung, das heitere Mäandern. [gw]
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Im Anfang war das Wort. Aber welches eigentlich? Welcher Begriff war der verbale Bigbang, der die Menschheit zu dem machte, was sie ist: zu Wesen, die sich in Gesellschaften organisieren – denn dazu war, wie der israelische Historiker Yuval Noah Harari schreibt, eine differenzierende Sprache, die ihn vom kreischenden, gurrenden oder schwanzwedelnden Tier abhob, unerlässlich, eine Sprache, die es erlaubte Mythen zu transportieren, Religionen zu etablieren, Volkswirtschaften aufzubauen, Rechtssysteme zu begründen. Zu Individuen aber auch, die ihre Sinneseindrücke anhand von Nominaldefinitionen ordnen und strukturieren, indem aus ursprünglich beschreibenden Namen unkonkrete Metaphern werden, wie der sprachkritische Philosoph Fritz Mauthner es darstellt. In seinem Sinne macht das Wort die Welt …
Dabei schafft aber auch jedes Weltbild seinen eigenen Wortschatz. Während wir im Deutschen gerade mal ein Trampeltier vom Dromedar unterscheiden, aber auf beiden reiten wie auf einem Pferd, gibt es im Somalischen neben aberwitzig vielen Begriffen rund um das Kamel beispielsweise auch einen, der die Distanz beschreibt, die überwunden wird zwischen dem Auf- und Abladen eines Lastkamels: minqaad. Im Japanischen existiert ein spezieller Begriff für die Gästetoilette am Ort einer Teezeremonie: stchin, zu Deutsch sehr prosaisch: Schneeversteck. Ein Wort, das verschwände, würde man sich eines Tages in einem schnelllebigeren Japan dazu entschließen, den Teeaufguss nicht mehr zu zelebrieren.
Im Zusammenspiel mit der eigenen Kultur funktionieren Sprachen so perfekt, dass jedwede Veränderung gesamtgesellschaftlich als Verwundung wahrgenommen wird, jede Rechtschreibreform, ganz zu schweigen von Gendersternchen und Anglizismen. Dabei ist gerade der Sprachwandel ein echtes Beispiel gelebter Demokratie, denn alleine die Sprechenden entscheiden darüber, welche Wörter sie sterben lassen und welche aufleben. Er lässt sich gut mit einem Trampelpfad vergleichen: Einer tritt das Gras nieder, zwei, drei folgen und am Ende ist ein Weg da, den (fast!) alle gehen. Das Wort des Anfangs? Gut möglich, dass es verschwunden ist. In einer Zeit, in der die Menschheit damit beschäftigt ist, sich selbst wieder abzuschaffen. [sib]
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Dabei fehlen im Deutschen ja Wörter, die man wirklich gut gebrauchen könnte. Das japanische »Age-otori« beschreibt ein Phänomen, das wohl auch hierzulande schon jeder erlebt haben dürfte: Nach dem Friseurbesuch schlimmer auszusehen als vorher – was leicht dazu führen könnte, dass man sich am liebsten im Bett verkriechen würde. Auch das ein Zustand, den wir Deutsche nicht benennen können, in Portugal spricht man von »Clinomania«. Wie schön, dass es jedem freisteht, das in seinen Wortschatz aufzunehmen.
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Mit einem fast schon perfekt platziert zu nennenden Schlag hat die IT-Sicherheitsfirma CrowdStrike, die sich künftig vielleicht besser CloudStroke nennen sollte (soviel Wortspiel muss sein), aus purer Blödheit den Tech-Giganten Microsoft ausgeknockt. Als an diesem 19. Juli allmählich aus der Befürchtung Gewissheit wurde, dass es weltweit zum bislang wohl größten IT-Crash gekommen war, erschienen natürlich auch düsterste Weltuntergangsvisionen am Horizont, inklusive der allfälligen Panik vor dem totalen Data Loss: Datenbanken, Forschungsergebnisse, Archive und natürlich auch Wikipedia und Google Maps – zack, alles weg! Das Menschheitsgedächtnis mal eben gelöscht.
Ganz so schlimm wird es so schnell nicht kommen. Immerhin gibt’s ja noch Bücher, auf richtigem Papier gedruckt. Auch Bildbände aller Art sind nicht zu verachten und auch der eine oder andere Museumsbesuch könnte sich im Fall der Fälle anbieten und hält nebenbei auch fit, falls dabei größere Strecken zurückzulegen sind. Ohne an dieser Stelle das naheliegende Thema Alter, Gedächtnis und Erinnerung zu vertiefen, sei stattdessen zur allgemeinen Beruhigung erklärt, dass das Menschheitsgedächtnis also vorerst weitgehend erhalten bleiben wird und Lücken im individuellen wie im kollektiven Gedächtnis – sofern nicht durch böswillige Machenschaften hervorgerufen – nunmal auch zum normalen Schwund gehören, mit dem Mensch sich – wenn auch mitunter wehmütig seufzend – arrangieren muss.
Erfreulich dennoch, dass es Bemühungen gibt, dem Vergessen auch bei vermeintlich kleinen Dingen entgegenzuwirken. Da gibt es zum Beispiel gleich mehrere Initiativen, die sich um bedrohte oder gar schon vergessene Geräusche kümmern, ihr geneigtes Publikum mit Tonaufnahmen von allerlei historischem Gerät erfreuen und dabei auch gleich Wissenswertes zur Industrie- und Handwerksgeschichte zu berichten haben. Und auch der Pflege des Wortschatzes und seiner Bewahrung wird große Aufmerksamkeit zuteil. 2007 etwa gab es den Wettbewerb Das bedrohte Wort, bei dem das Wort Kleinod als das schönste gekürt wurde – der Schlüpfer wurde völlig zurecht auf den zweiten Platz verwiesen. Und auch der SWR hat sich dieses Themas angenommen und eine kleine Liste vom Aussterben bedrohter Wörter veröffentlicht, unter denen Hanebüchen und Fisimatenten des Autors klare Favoriten sind. [um]
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Vergessen kann übrigens manchmal auch ganz gut sein und angeblich sogar nützlich. So wollen Forschende am Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie herausgefunden haben, »Individuen, die sich alles merken können« hätten »zwar eine riesige Auswahl an Verhaltensweisen und Handlungsmöglichkeiten, entschieden sich aber häufig genau für das Falsche. Individuen, die weniger nützliche Verhaltensweisen vergaßen, trafen oft bessere Entscheidungen.« So jedenfalls berichtet der MDR.
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Diesmal kein Kalender, sondern ... |
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8daw-Redakteure und -Autoren stellen ihre Sommer-Leseempfehlungen vor |
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Sandra Hachmann empfiehlt
Mely Kiyak: Frausein—————— Was es bedeutet, in dieser Gesellschaft eine Frau zu sein? Nichts Kleineres als diese Frage nimmt sich Mely Kiyak entlang verschiedener Lebensstationen vor – teilbiografisch, zärtlich, radikal ... und fern von politisch-feministischen Diskursen. »Ich bin eine Frau. Ich bin es gerne. Davon möchte ich erzählen«, schreibt sie. Dem nicht genug, verwebt die Autorin ihre Erzählung mit dem Aufwachsen zwischen Ländern, Klassen und Rollen. Neugierig auf die Welt und das eigene Ich überwindet Mely Kiyak den öffentlichen Blick und bleibt zurück mit sich selbst – dem für sie ruhigsten und zufriedensten Ort. »Frausein« ist aufrichtig, lebenslustig und ehrlich, lebendig, scharf- und eigensinnig, unglaublich klug und sprachlich von einem alltagspoetischen Zauber und einer Kraft, dass man jeden Satz mindestens zweimal lesen mag.
Carl Hanser Verlag ISBN 3446267468
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Ulrich Müller empfiehlt
Omri Boehm: Radikaler Universalismus Jenseits von Identität —————— »Wir müssen, müssen Freunde sein«, ließ Lessing einst seinen Nathan, den Weisen ausrufen und lieferte dem jüdisch-deutschen Philosophen Omri Boehm den Ausgangspunkt einer neuen Philosophie der Freundschaft – einer Philosophie, die Grenzen und Gräben zu überwinden versucht, in einer multipolar zersplitterten Welt, in der nicht nur politische Systeme oder Ideologien, sondern zuletzt auch verschiedenste gesellschaftliche Gruppen bis hin zum Individuum sich zunehmend unversöhnlich gegenüberstehen. Ein kühner Versuch, den Jens-Christian Rabe in seiner SZ-Rezension gleichermaßen begeistert wie kritisch als »halsbrecherisch schwärmerisch« bezeichnete, womit er diesem Buch zugleich attestierte, eine wunderbare Einladung zum kritisch-utopischen Weiterdenken zu sein.
Ullstein Verlag ISBN 9783549100417
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Martina Wember empfiehlt
Stephan Schäfer: 25 letzte Sommer—————— Am Küchentisch eines alten Bauernhauses treffen zwei Menschen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Ein gestresster und gehetzter Geschäftsmann, der zum Ausspannen aufs Land gefahren ist und dort auf Karl trifft, der sein Leben damit verbringt, Kartoffeln zu sortieren und nachzudenken. Der konfrontiert ihn mit der Endlichkeit des Seins, mit der Tatsache, dass ihm wahrscheinlich nur noch circa 25 Sommer bleiben. Dadurch kommen sie ins Gespräch über die wirklich wichtigen Dinge - was gibt dem Leben Sinn, woher nehmen wir den Mut, unsere eigenen Träume zu verwirklichen, und mit was lohnt es sich wirklich Zeit zu verbringen. Das Buch hat mich auf sanfte Weise aufgerüttelt, wie unbewusst wir mit unserer kostbaren Lebenszeit umgehen - und wie schön es sein kann ein Buch zu lesen …
Verlag park x ullstein ISBN 9783988160096
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Michi Bundscherer empfiehlt
Charles M. Schulz: Snoopy für alle Lebenslagen —————— Was ist das Geheimnis des Lebens? „Immer nach oben schauen ...“ Ob als Tennisprofi, Astronaut oder Schriftsteller – mit grenzenloser Fantasie zeigt Snoopy, der ikonische Beagle von Charles M. Schulz, dass alles möglich ist. Doch die wahren Freuden findet er in den einfachen Dingen: ein Nickerchen, eine Pizza oder ein Gespräch mit seinem Freund Woodstock. Comics wie die Peanuts bieten eine einzigartige Kombination aus visuellem und erzählerischem Vergnügen. Schulz stellt die großen Fragen des Lebens mit feinem Humor und einer liebenswerten Prise Melancholie. Diese humorvolle Reflexion über Freundschaft, Selbstakzeptanz und den Mut, nach Rückschlägen wieder aufzustehen, macht die Peanuts zu einem zeitlosen Klassiker. Ideal für unterwegs und ein perfektes Geschenk für sich selbst oder Freunde.
Reclam Verlag ISBN 3150144876
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Herbert Lechner empfiehlt
Dror Mishani: Drei—————— Regelmäßig sagt Kriminalkommissar Avi Abraham, in Israel gäbe es keine Kriminalromane, weil da auch keine Schwerverbrechen vorkämen. Autor Dror Mishani beweist mittlerweile ebenso regelmäßig mit kniffligen Fällen das Gegenteil. Im ungewöhnlichsten seiner Krimis tritt der schwerblütige Avi allerdings gar nicht auf. Dafür bietet der Band nicht nur Einblicke in die Nöte und Frustrationen einsamer Frauen in einem Vorort von Tel Aviv, sondern entwickelt langsam und detailgenau – Räume spielen eine große Rolle – ein wahres Horrorszenarium. Das klassische „Whodonit“ wird zur Nebensache, der Täter bleibt blass gegenüber seinen Opfern, der Schrecken erwächst aus der Alltagsbanalität. Der Autor sieht gleichsam hilflos zu, wie sich die drei Frauen ihrem Mörder ausliefern.
Diogenes Verlag ISBN 978-3-257-60986-8
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Martin Summ empfiehlt
Marcellinus Priel, Lothar Uebel: Das Mampe-Buch—————— Berlin in den goldenen Zwanzigern und mitten drin ein Elefant, der Likör liebt! Hä? Liest sich auch so. Die Geschichte der Likörfabrik Carl Mampe ist ein Buch wie ein kleiner Schwips, angenehm am Nachmittag, etwas ermüdend am späten Abend. Mampe ist eine kleine Brennerei, die sich so groß träumt wie ihr tierisches Maskottchen. Gutes Design, Alkohol und Berliner Schnauze sind eine unschlagbare Kombination, die jeder, der in Berlin ist, selbst erleben sollte. Dafür kann man dann auch das Buch weglegen. Von der wilden Partyszene bis zur harten Realität der Nachkriegszeit – Mampe hat alles überlebt und uns dabei mit einigen der besten Geschichten und Drinks versorgt. Ein Buch, das zeigt, dass Likör nicht nur getrunken, sondern gelebt werden kann.
be.bra Verlag ISBN 3814802632
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Sigrun Borstelmann empfiehlt
Julian Rothenstein (Hg.): Everyday Play—————— Der Gedanke, dass es unmöglich ist zu denken, was nicht schon zuvor gedacht wurde, mag frustrieren. Umgekehrt kann es aber reizvoll sein, bewusst in die Ideenwelt anderer zu schlüpfen, vor allem wenn sie so verrückt ist, dass man kaum wagt, sie zu berühren. Everyday Play ist eine kurzweilige Sammlung von Absurditäten in Lebensart, Kunst, Spiel und Sprache, bei der ein kleines Lesehäppchen genügt, um stundenlang aus dem Alltag abzutauchen und sich eine gedankliche Auszeit zu gönnen …
Suhrkamp Verlag ISBN 978-3-949582-08-0
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Gabriele Werner empfiehlt
Lauren Groff: Die weite Wildnis—————— Frühes 17. Jahrhundert, Nordamerika: Unterernährt, in geklauten Stiefeln flieht ein 16-jähriges Mädchen aus einem Fort englischer Siedler, einem „höllengleichen Ort«, friert, fiebert, hungert, verschlingt Fische, Maden, Eichhörnchen, hetzt durch dichte Wälder und über klirrendes Eis, um – vielleicht – zu einer französischen Siedlung zu gelangen. Eine Migrationsgeschichte, ein Abenteuer, wie es in der Literatur üblicherweise Männern vorbehalten ist – überwältigend erzählt.
Claassen-Verlag ISBN 3546100352
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Antje Dohmann empfiehlt
Jeannette Walls: Vom Himmel die Sterne—————— Im Vergleich zum Original »Hang the Moon« ist »Vom Himmel die Sterne« ein ziemlich dämlicher Titel, aber ein tolles Buch. Sallie ist die freche Tochter des mächtigsten Mannes einer Kleinstadt in Virginia Anfang des 20. Jahrhunderts, dem charismatischen Duke Kincaid. Auf Geheiß der Stiefmutter muss Sallie das Anwesen verlassen. Mit 17 Jahren kehrt sie zurück und übernimmt die Geschäfte ihres verstorbenen Vaters, inklusive des gefährlichen Alkoholschmuggels. Die Geschichte ist rasant erzählt und ich mag die klare, manchmal raue Sprache von Jeanette Walls. Vor allem aber mag ich ihre Protagonistinnen: Frauen, die keine Heldinnen mit Superkräften sind, sondern einfach starke, störrische Charaktere, die sich von der Männerwelt nicht kleinkriegen lassen und auch nach empfindlichen Niederlagen nicht aufgeben – bitte nachmachen!
Verlag Hoffmann und Campe ISBN 3455016286
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Pavlo Kochan empfiehlt
Bill Buford: Hitze—————— Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling – Bill Bufords Bericht empfahl mir für meine sommerliche Toskana-Reise ein 8daw-Leser. Der Ex-Verleger und Ex-Literaturchef begibt sich auf eine Reise von der New Yorker High-End-Gastronomie zu Italiens traditionellen Küchen. Seine Begegnungen mit Meisterköchen wie Mario Batali und Metzgern wie Dario Cecchini fungieren als Katalysatoren für eine tiefere Reflexion über Authentizität, Handwerkskunst und die Vergänglichkeit von Wissen und Traditionen. Sehnsuchtsvoll reise ich durch jede Seite und entdecke meine Küchenleidenschaft neu.
Verlag Carl Hanser Verlag ISBN 3446230122
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Wenn einem das Lachen im Hals stecken bleibt: Statt eines überschaubaren, eher amüsanten kleinen technischen Problems der Ampel(koalition) wird mit etwas Hintergrundwissen deutlich, dass Kopfüber-hängend auf der Piazzale Loreto in Mailand an die öffentliche Zurschaustellung von Benito Mussolinis Leichnam erinnert. Am 28. April 1945 waren Mussolini, seine Geliebte Clara Petacci und einige andere hochrangige Faschisten von Partisanen gefangen genommen und in der Nähe des Comer Sees erschossen worden. Ihre Leichen wurden nach Mailand geschafft und am Folgetag kopfüber am Dach einer Tankstelle auf dem Piazzale aufgehängt.
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Seit der 8daw-Ausgabe BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir für auf uns auf Empfehlung eines Lesers entschieden: »Der Mittelpunkt (MacOS: Shift+Alt+9; Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der Asterisk *, stört jedoch deutlich weniger den Lesefluss der Leser·innen, weil er nicht nach Fußnoten ruft und auch keine Textlücken reißt wie der Gender_Gap.« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch frei, ob sie den Mediopunkt oder eine andere Form benutzen. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind jedenfalls geschlechtsneutral zu verstehen.
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Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Steinerstraße 15c, 81369 München, boriskochan.com, zu erreichen unter boris.kochan@eightdaw.com oder +49 89 178 60-900 in Verbindung mit Kochan & Partner GmbH, Steinerstraße 15c, 81369 München, news@kochan.de
Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Kalender: Antje Dohmann [ad]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sh], Herbert Lechner [hel], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk]; Homepage und Newsletter-Technik: Pavlo Kochan [pk]; Basisgestaltung: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger, beide zu beziehen über TypeTogether; Versand über Mailjet.
Bildnachweis: © Kellen Renstrom
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Ausgabe: #134
Erschienen am: 11. August 2024 [KW32]
Thema: Verlorengegangenes: Wörter, Dinge, Töne
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