ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel
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mit Boris Kochan und Freunden am 6. Oktober 2024 |
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{% if data:du_version:"" %}[[data:du_version]],{% elseif data:anrede == "Herr" %}Lieber Herr [[data:lastname]],{% elseif data:anrede == "Frau" %}
Liebe Frau [[data:lastname]],{% else %}Sehr geehrte Damen und Herren,{% endif %}
»die letzten Tage waren noch schwieriger als je zuvor. Der iranische Angriff erwischte mich auf dem Weg von Jerusalem nach Tel Aviv, und ich verbrachte 40 Minuten auf dem Boden liegend auf dem Seitenstreifen der Autobahn, sah die Raketen, die Abfangjäger, hörte sie rundherum explodieren und hoffte. Ich versuche immer noch, mich zu erholen.« schrieb unser enger Freund Adi Stern nach dem Raketenangriff am Dienstag dieser Woche. Er war lange Zeit Script Chair für Hebrew des von mir mit geleiteten internationalen Schriften-Projektes GRANSHAN und versucht in beeindruckender Weise, als Präsident der Bezalel Akademie für Kunst und Design, Kreativität als Mittel zur Überbrückung kultureller und sozialer Gräben einzusetzen und das friedliche Zusammenleben in dieser von Krisen, Konflikten und Kriegen geprägten Region zu fördern. Eine Mitarbeiterin von meiner Partnerin Veronika Burian, Inhaberin von TypeTogether und Chairwomen der GRANSHAN Type Design Competition, schreibt ihr nach dem Beginn der israelischen Bodenoffensive in den Libanon – ebenso in dieser Woche: »Es geht mir nicht gut, aber ich lebe noch. Wir waren noch nicht wieder in Beirut, wir wollten heute Nachmittag hinfahren, die Freundin meiner Mutter hat uns ein Zimmer angeboten, wo sie wohnt, aber ich weiß nicht, was nach den Anschlägen von letzter Nacht passieren wird. Wir hören die Drohnen über unseren Köpfen die ganze Zeit.« Wir sind durch unsere Arbeit und durch die GRANSHAN Foundation eng verbunden mit Menschen auf der ganzen Welt – und gerade auch im Nahen Osten. Umso unerträglicher sind die Freudentänze in Deutschland nach dem Tod von Menschen. Oder der Satz von Donald Trump, dass er einen Angriff Israels auf die iranischen Atomanlagen begrüßen würde. Wie wäre es, wenn wir den Zuspitzungen keinen Raum geben, nicht dem Heroismus folgen? Und ganz genau hingucken, ob der schleichenden Verschiebung von Sagbarem, von Tonalitäten? Genau lesen, was uns unsere Freunde mitteilen? Und was die Feinde von Freiheit und Demokratie (sprachlich) betreiben? Kaum jemand hat die These, dass Sprache schleichend und subtil als Instrument der Manipulation und Ideologieübertragung (im Faschismus) genutzt wird, so prägnant ausgedrückt wie Viktor Klemperer: »Worte können sein wie winzige Arsendosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.« Ich wünsche Ihnen einen guten, einen so aufmerksamen wie nachdenklichen Start in die neue Woche Boris Kochan
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Dies ist die erste – reguläre – Ausgabe nach unserer langen Sommerpause … die wir nach unserer eher besonderen Bildausgabe #135 zur 8daw-Armenienreise wieder veröffentlichen. Die Ereignisse in Israel und dem Libanon haben diese Woche geprägt – und unser Thema Gipfelstürmer hat im Laufe der Arbeit daran sehr andere, mit Sicherheit nicht konsistente Ausrichtungen bekommen. Entsprechend sind auch die Bilder dieser Ausgabe im nächsten Artikel von Ulrich Müller beschrieben.
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Luftschutzbunker in einer Grundschule im drusischen Dorf Hurfeish in Galiläa
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Ein Flamenco-Tanz-Studio, ein Spielzimmer für Grundschüler, ein Underground-Musik-Club, Fitnesscenter, Studentenbude oder Büro: All diese Räume vereint, dass sie in Israel liegen und sich im Untergrund befinden – und dass sie allesamt Luftschutzbunker sind. Über zwei Jahre hinweg hat der US-amerikanische Fotograf Adam Reynolds diese Orte aufgesucht und die dabei entstandenen Bilder in dem 2017 in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Wien erschienenen Bildband Architecture of an existential threat veröffentlicht. Das eigentlich Beklemmende an diesen Bildern ist ihre vermeintliche, beinahe banal erscheinende Normalität, mit der die Menschen in Israel sich in vielen der mehr als einer Million öffentlicher und privater Bunker in der entsetzlichen, alles andere als normalen Normalität eines Lebens in einem Jahrzehnte währenden Kriegszustand eingerichtet haben. Umso beklemmender, in welchem Maß Juden in immer mehr europäischen Ländern Angst um ihre Zukunft, ja um ihr Leben haben müssen. Und es sind nicht nur die gröhlenden Antisemiten, wie gerade wieder in Berlin, die Anlass zu größter Besorgnis geben: Gipfelstürmer hat der SPIEGEL vor Kurzem noch den FPÖ-Chef Herbert Kickl – wohl in Anspielung auf dessen alpenrepublikanische Herkunft – genannt, der unter anderem die Waffen-SS gegen kollektive Schuldzuweisungen verteidigt. Unter dem Titel Herbert Kickl hätte uns deportiert, hat die Jüdische Allgemeine die Ängste der Juden in Österreich dann auch auf den Punkt gebracht. Großes Vorbild von Kickl ist Victor Orbán, der derweil erfolgreich an seinem europäischen Rechtsbündnis strickt, von dem wiederum zumindest Teile des AfD-Vorstands denken, ihre Partei »würde sicher bestens in diese Gruppierung passen«. Der Eurofaschismus ist gut vernetzt – und das inzwischen auch transatlantisch.
»Ihre innere Schönheit ist sogar noch größer als ihre äußere Schönheit«, sagte er und sie bezeichnete ihn dafür als »kostbares Genie«: Giorgia Meloni und Elon Musk, die Chefin der italienischen Ultrarechten und der Techmogul, derzeit reichster Mensch der Welt und flammender Trump-Unterstützer. Warum ausgerechnet Meloni in New York der Global Citizen Award verliehen wurde, muss einem erstmal jemand erklären – dass Musk auf ihren Wunsch hin die Laudatio hielt, ist hingegen weniger erklärungsbedürftig. Nur von Eurofaschismus zu sprechen greift also zu kurz. Der neue Faschismus, so scheint es, ist zunehmend weltumspannend. [um]
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Der Weg nach oben ist mit Leichen gepflastert. Was – hoffentlich zumeist nur sprichwörtlich – die Laufbahn ehrgeiziger Menschen, vor allem von Politiker·innen beim Run auf den nächstbesten Ministerposten beschreibt, ist für echte Gipfelstürmer grausige Realität. Während sich der Höhlentourismus, wo sogenannte Schauhöhlen das Abenteuer mit künstlicher Beleuchtung und befestigtem Wegesystem sorgsam aufbereiten und Eingangstore die Neugierigen vor sich selbst und die Pfründe der Investoren schützen, ein kleines stabiles »l« in der Mitte bewahrt hat, das für »laientauglich« stehen darf, ist dem Höhentourismus sein »l« so gänzlich entfleucht: Sinkender Luftdruck und Sauerstoffgehalt in zunehmender Höhe schaffen nun mal eine lebensfeindliche Umgebung, die allzu oft eine potenziell tödlich verlaufende Höhenkrankheit provoziert.
Dessen ungeachtet treiben sich allein im Himalaya nach nepalesischer Statistik jährlich 350.000 Höhentouristen herum; bei einer sehr speziellen Aufräumaktion haben nepalesische Müllsammler im Sommer neben den Alltagsabfällen der Bergsteiger auch vier der 300 Leichen eingesammelt, die den Weg der Gipfelstürmer säumen – viele davon sicher Opfer des Höhenrausches, jener fatale Mix aus Euphorie und Müdigkeit, der jede Vernunft vergessen lässt. Sicher kein Zufall, dass Harald Jähner sein Zeitportrait der Weimarer Republik bis zum Erstarken des Nationalsozialismus Höhenrausch nennt: Skizze einer Gesellschaft, die nach kurzem schnellem Aufstieg ihre Kraftreserven verbraucht hat und sich in dramatischen Fehlentscheidungen verstrickt. Eine Mahnung, gut darauf zu achten, wann es Zeit ist, ins Basislager umzukehren … [sib]
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Es habe »oft den Anschein, dass hemmungslose Gier nach Publicity, käuflichem Thrill und Abenteuer aus zweiter Hand die Szene dominieren – und dass die höchsten Berge, jahrtausendelang als Sitz der Götter respektiert, rücksichtslos zu Turngeräten der Eitelkeiten und des Kommerz degradiert werden«, beklagte vor einigen Jahren der Höhenmediziner Franz Berghold in der Ärztezeitung. Ganz ähnlich klingt es in einem Reisebericht über die Alpen, in dem es heißt: »Die Heiligtümer sind entweiht und zum Tummelplatz der Massen erniedrigt worden.« Verfasst im Jahre 1902.
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Bunkerähnlicher Konferenzraum in der Knesset in Jerusalem
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Zurückrutschen auf dem Zeitstrahl und graben, graben – hinunter in die Unterwelt. In den flammenden Schlund der Höllenhunde schauen, kühler: die Ahnung von Orpheus Gesang – hier eine Inszenierung des Regisseurs Antú Romero Nunes. Tiefer graben, das Unterste zuoberst kehren: Knochen und Keramikscherben, Münzen und Werkzeugteile, Stoff- und Lederstreifen. Sie erzählen Geschichten, belegen den Alltag eines Lebens in früherer Zeit. Über 250.000 Einzelobjekte wurden beim Bau der zweiten Münchner Stammstrecke geborgen, gereinigt, verpackt, registriert. Einige wurden ins Licht der Archäologischen Staatsammlung München gebracht. Nach fast achtjähriger Sanierung hat sie im Frühjahr 2024 wiedereröffnet. Hinter trutziger Edelrost-Fassade aus Cortenstahl verlässt das narrative Ausstellungskonzept des Atelier Bruckner die gewohnte chronologische Ordnung und führt zu Themenschwerpunkten des Menschseins.
Die Arbeitsgemeinschaft Archäologie hat in der Münchner Altstadt an 13 bedeutenden archäologischen Fundstellen himmelblaue Informationsstelen aufgestellt. Dort können Passantinnen und Passanten bei Führungen oder individuell bis zum 31. Oktober die Kraft der Verbindung von unten nach oben ausprobieren: Unterwelt inspiriert Oberwelt und weist himmelwärts. Womöglich zieht dann eine Zeile aus Verdis Nabucco durch das jetzt durchlässigere Gehirn: »Va peniero sull’ali dorate« – Zieh, Gedanke, auf goldenen Schwingen. Einen Versuch könnte es wert sein. [gw]
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Öffentlicher Luftschutzbunker in Haifa
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Veranstaltungen,
Ausstellungen und mehr aus dem Umfeld der 8daw-Redaktion |
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Creative Paper Conference 2024
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Die Messe, die in der Alten Kongresshalle München stattfindet, ist ein Treffpunkt für visionäre Papierliebhaber·innen. Alle zwei Jahre bringt die Creative Paper Conference branchenübergreifend Menschen zusammen, die das Potenzial von Papier als Medium neu entdecken, feiern und es in überraschenden Formen präsentieren möchten. Von nachhaltigen Verpackungslösungen über künstlerische Drucktechniken bis hin zu innovativen Papierprodukten – die Konferenz und der 700 qm Messebereich inspirieren und laden dazu ein, die Möglichkeiten dieses zeitlosen Materials zu erforschen. Tagestickets kosten 195 Euro, für beide Tage bezahlen Teilnehmer 375 Euro.
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Inscript Experimental Type Festival
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Zum dritten Mal findet die Inscript statt – erneut ausschließlich online: So können Interessierte und Vortragende aus aller Welt teilnehmen. Branchenexpert·innen aus allen Bereichen der Typografie – vom analogen Handwerk bis zum kreativen Coding, von der Animation über Augmented Reality bis zur Barrierefreiheit – stellen Experimente und Innovationen vor. Das Festivalprogramm 2024 wird kuratiert von Min-Young Kim, Gründerin des Studios Em Dash, Ksenya Samarskaya, Mitglied der renommierten Alliance Graphique Internationale, und Alex Slobzheninov, Gründer von Contemporary Type. Tickets kosten 32 Euro.
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Studenten-Aufenthaltsraum in der Universität Haifa, der zugleich Luftschutzkeller ist
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Seit der 8daw-Ausgabe BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir für auf uns auf Empfehlung eines Lesers entschieden: »Der Mittelpunkt (MacOS: Shift+Alt+9; Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der Asterisk *, stört jedoch deutlich weniger den Lesefluss der Leser·innen, weil er nicht nach Fußnoten ruft und auch keine Textlücken reißt wie der Gender_Gap.« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch frei, ob sie den Mediopunkt oder eine andere Form benutzen. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind jedenfalls geschlechtsneutral zu verstehen.
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Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Steinerstraße 15c, 81369 München, boriskochan.com, zu erreichen unter boris.kochan@eightdaw.com oder +49 89 178 60-900 in Verbindung mit Kochan & Partner GmbH, Steinerstraße 15c, 81369 München, news@kochan.de
Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Kalender: Antje Dohmann [ad]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sh], Herbert Lechner [hel], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk]; Homepage und Newsletter-Technik: Pavlo Kochan [pk]; Basisgestaltung: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger, beide zu beziehen über TypeTogether; Versand über Mailjet.
Bildnachweis: © Adam Reynolds
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