Zumeist wöchentliche Streifzüge mit Boris Kochan & Freund·innen rund um den Wandel in Gesellschaft & Kultur, Unternehmen & Organisa­tionen.

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ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel

mit Boris Kochan und Freunden am 4. August 2023

 
 

{% if data:du_version:"" %}[[data:du_version]],{% elseif data:anrede == "Herr" %}Lieber Herr [[data:lastname]],{% elseif data:anrede == "Frau" %} Liebe Frau [[data:lastname]],{% else %}Sehr geehrte Damen und Herren,{% endif %}

im Gegensatz zum Menschen können Tiere ge- und verkauft werden – genau deswegen ist eine Entwendung nach Strafgesetzbuch auch ein Diebstahl und keine Entführung. Tiere sind trotzdem keine Sachen, wie ich als ehemaliger und neuerlicher Hundebesitzer lange Zeit gerne behauptet habe: Auch wenn einzelne Delikte als Sachbeschädigung gewertet werden, darf dank Tierschutzgesetz niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Rein rechtlich gesehen sind sie sozusagen Mischwesen, oder besser: eine Mischung aus Sachgut und Lebewesen …

Kaum zum Thema gemacht, entdeckt der Streifzügler (Ver-)Mischungen aller Art: Cocktails zum Beispiel heißen diese eigenartigen Getränke aus mindestens einem alkoholischen und zwei antialkoholischen Bestandteilen. Damit kommt die scheinbar naheliegende Übertragung Zweischwanzgetränk eigentlich nicht in Frage (zumal die entsprechende Suchabfrage eher auf pornografischen Seiten landet) – die seriöseren Ansätze verweisen auf mindestens fünf unterschiedliche Namensgeschichten vom ach so bunten Hahnenschwanz bis zum Servieren von Mixgetränken in einem Eierbecher (französisch: coquetier).

Besonders beeindruckt hat mich in dieser Woche die Rezension des neuen Werks V13 über den Pariser Bataclan-Prozess. Gustav Seibt schafft es herausragend, die Fähigkeit des französischen Schriftsteller Emmanuel Carrère zu schildern, mit Empathie und Unvoreingenommenheit sich und den Leser in eine trotz aller Bedrückung gelegentlich sogar humorvolle Welt der Gleichzeitigkeit und Uneindeutigkeit mitzunehmen. Und dabei auch noch auf die lange Kontroverse Bezug zu nehmen, was Aristoteles in seiner Tragödientheorie mit dem Begriff Katharsis gemeint haben könnte: »Die Reinigung des Zuschauers von den starken, vom Drama aufgerufenen Affekten Furcht und Mitleid, oder die Reinigung dieser Affekte selbst? Abfuhr des Schreckens oder Klärung des Traumas? Im Leseexperiment mit diesem großartigen Buch kann man die Erfahrung machen: Die beiden Aspekte von Katharsis schließen einander nicht aus.« 

Und schlussendlich sind den Abgenzungen sowieso Grenzen gezogen und der Mischung jedweder Raum gegeben, wenn man Rainer Guldin und Vilém Flusser folgt: »Grenzen sind keine klaren Linien, sondern verworrene Zonen, an den sich die Phänomene kreuzen und vermischen. Widersprüchliche, ambivalente Schwellengebiete.« Und damit als Denkfiguren für die Zukunftsgestaltung ungeheuer attraktiv: »struppige Mengen«, »graue Zonen« oder auch »weiße Stellen« – ein »no man’s land«. Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht dachte ich da dann nur noch

und verabschiede mich herzlich von Ihnen in eine hoffentlich entspannte Sommerzeit mit oder ohne lange Hunde-Spaziergänge!
Boris Kochan

 

Mit dieser etwas ausführlichen 8daw-Ausgabe verabschieden wir uns in die Sommerpause, irgendwann für die erste Septemberhälfte ist eine Sonderausgabe geplant. Unser erstes reguläres Newsletter-Magazin, wie wir 8daw mittlerweile häufig nennen, wird am Wochenende 22. bis 24. September versendet. Zur Überbrückung haben wir auch dieses Jahr wieder kleine Sommerlektüre-Empfehlungen von Redaktion und Autoren zusammengestellt. Viel Freude damit!

 

Erinnern Sie sich noch an Umberto Ecos Buch Der Name der Rose, das 1986 mit dem unvergleichlichen Sean Connery verfilmt wurde? Connery spielt darin den Franziskanermönch William von Baskerville, der in einen mörderischen Komplott um eine Bibliothek verbotener Bücher gerät und schließlich unter Lebensgefahr wenigstens einige Exemplare aus einem Brand retten kann (im Video ab 02:25). Das Vorbild für William von Baskerville war übrigens Wilhelm von Ockham, ein intellektueller Wegbereiter der Renaissance. Wesentlich gemütlicher, aber kaum weniger fantastisch geht es in Dina Dennaouis rollenden Miniaturbibliotheken zu. Dennaoui, die sich Digital Creator nennt, hat ihre Liebe zum Buch mithilfe digitaler Mischtechniken in einer Reihe von Bildkreationen formuliert: absolut realistisch aussehende, rollende Bibliotheken im Miniaturformat. Bücher sind Liebe, Bücher sind Leben, ist auch auf der Website eines Unternehmens zu lesen, das sie mitgegründet hat: BookTours360° bietet Marketing-Kampagnen für Autor·innen und alles rund ums Buch. Die Buchkultur erweist sich auch im digitalen Zeiten als äußerst lebendig.


 

 
Rühren, mischen und verschmelzen
 

Fusion! Dann verschmelzen Kulturen, Stile, Musik, Zellen, Wesen oder Getränke, gewinnen ihren eigenen, neuen Ausdruck. Berühmt – James Bonds Martini: 3 Teile Gin, 1 Teil Wodka, ½ Teil Lillet – geschüttelt, nicht gerührt.

Illustration von Martina Wember:

Seit Urzeiten treiben sanftmütige oder bösartige Mischwesen durch unsere Vorstellungswelt. Auf 40.000 vor Christi wird die Löwe-Mensch-Figur datiert, die im Lonetal gefunden wurde und heute in der Archäologischen Sammlung im Museum Ulm zu besuchen ist. Zwischen Luxor und Karnak erzählt die Sphingenallee von den Mischwesen der ägyptischen Mythologie. Durch die griechische und römische Vorstellungswelt treiben Mino- und Zentauren, die geflügelten Pferde Pegasus und Celeris, Faune, Satyrn. Und ist nicht auch Janus, der Doppelköpfige, der Gott allen Ursprungs, des Anfangs und des Endes, der Jugend und des Alters, der Türen und Pforten … ein Mischwesen? Ovid lässt ihn im Festkalender Fasti sagen: »Chaos hieß ich vordem, denn ich lebte bereits in der Vorzeit.« Im germanischen Mittelalter findet die musische Nixe ihren feuchten Platz und fasziniert als Arielle bis heute. Durch Picassos Werk springen Satyr, Faun und Kentaur, der hier auch eine schöne Baccantin geleitet.

Illustration von Martina Wember:

Reich an Mischwesen sind auch fernere Kulturen. Mit welcher Kraft besetzen diese Wesen unsere Vorstellung? Ist die Sehnsucht nach dem Rollentausch so stark? Nach den Kräften des Löwen? Nach dem wilden, zügellosen Leben? Der Literaturwissenschaftler und Autor Jürgen Wertheimer antwortet auf solche Fragen: »Neugier! Unsere Faszination für Vermischung, für einen Moment des Experiments mit uns selbst und mit der Umwelt, ein Verlangen nach einem Grenzgang, nach einer Grenzüberschreitung. Ich bilde mir ein, was wäre, wenn ich ein Löwe wäre. Und wie würde der Löwe mich wahrnehmen. Das ist also eine Verwandlung, eine Verdopplung, eine Vervielfältigung der Wahrnehmung.« Faszinierender kann eigentlich nur noch ein Greifenritt durch Harry Potters Universum sein. [gw]

 

Eine schöne Zusammenstellung von Szenen des James-Bond-Markenbestandteils Geschüttelt-nicht-gerührt findet sich übrigens auf YouTube.


 

 
Für eine neue Renaissance?
 

Mit ziemlich gemischten Gefühlen sah sich irgendwann zwischen 1478 und 1518 Leonardo da Vinci am Rande einer finsteren Höhle sitzen und mit einem veritablen Dilemma ringen: der »Furcht vor der drohenden Dunkelheit der Höhle« einerseits und dem »Verlangen (…) mit eigenen Augen zu sehen, was darin an Wunderbarem sein möchte« andererseits. Ungefähr 400 Jahre später erfand der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler den Begriff der Ambivalenz, um genau solche gemischten Gefühlszustände zu beschreiben. Bleulers Forschungsgebiet war die Schizophrenie und vielleicht lässt sich so auch der eher missliche Beigeschmack erklären, der das Wort von den gemischten Gefühlen zumeist begleitet.

Illustration von Martina Wember:

Völlig zu Unrecht, wie ein Forscher·innen-Team der Kanadischen Waterloo Universität herausgefunden haben will.  Glaubt man deren Studie, sind gemischte Gefühle vielmehr Ausdruck emotionaler Komplexität und Tiefe. Die Fähigkeit, dabei Ambivalenzen auszuhalten und fruchtbar zu machen, meint die moderne Psychologie, sei dabei maßgeblich für die Individuation eines Menschen.

Wie das gehen kann, hat das Universalgenie Leonardo vorgemacht. Stets hat er sich gegen die Furcht und für sein Verlangen nach Erkenntnis entschieden, hat Ambivalenzen in kreative Energie umgewandelt und in seinem Werk Wissenschaft und Kunst in einzigartiger Weise verbunden. Darin war er ein Renaissance-Mensch par excellence. So geht auch die Attraktivität, der sich die Renaissance heute wieder erfreut, mit auf ihn zurück. »Stehen wir also vor einer Renaissance 3.0?«, fragt etwa das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien im Katalog seiner gleichnamigen Ausstellung, die noch bis Januar 2024 zu sehen ist. Schwer zu sagen, aber angesichts einer Welt am Rande der Erschöpfung könnte eine neue Renaissance als durchaus lohnenswertes Abenteuer erscheinen. [um]

 

Ohne ihn hätte es eine der größten Errungenschaften der Renaissance wohl nicht gegeben: Erasmus von Rotterdam, Kosmopolit, Humanist und Freidenker, der als Erster den freien Willen des Menschen proklamierte. In seinem lesenswerten Artikel über die Ohnmacht des Humanismus zeichnet der ehemalige Feuilletonchef der Frankfurter Rundschau, Christian Thomas, ein vielschichtiges Erasmus-Bild – voller Ambivalenzen und hochaktueller Bezüge.


 

 
Blutchimären
 

Ein feuerspeiendes Monstrum war sie in der griechischen Mythologie, die Chimäre – und vielleicht ist sie das noch immer, auch wenn sie sich wissenschaftlich-sachlich in Definitionen hüllt wie die des Organismus, der aus Geweben unterschiedlicher genetischer Zusammensetzung besteht und trotzdem ein einheitliches Individuum darstellt. Solange nur die Natur höchstselbst in ihre Trickkiste greift und Mischformen entstehen lässt, wie etwa Blutchimären oder Kinder, die genetisch ihrer leiblichen Mutter nicht eindeutig zuzuordnen sind, ist das nicht mehr als verwunderlich. Seit aber der Mensch mit mehr experimentiert als dem Aufpfropfen von Pflanzenteilen, seit ehrgeizige Wissenschaftler Biohacking mit menschlichen und tierischen Zellen betreiben – mit dem wohlmeinenden Ziel freilich, Tiercontainer zum Ausschlachten individuell gezüchteter Transplantationsorgane zu produzieren –, setzte sich möglicherweise schon eine Maschinerie der Machbarkeit in Gang, die kein Ethikrat und kein Gesetz je anhalten wird.

Illustration von Martina Wember:

Zu groß war schon zu allen Zeiten das Hirngespinst – auch dieses sinnigerweise Chimäre genannt – des Menschen, sich hie und da mit den Göttern zu paaren, wie es schon Händel in seiner Semele – in der übrigens Oper und (weltliches!) Oratorium so wunderbar verschmelzen – in aller Konsequenz darstellt. Denn die Essenz des Menschseins – und das grenzt uns von anderen Primaten ab – ist eine Mixtur aus Intellekt und jener Phantasterei, die uns die Existenz erträglich macht. »Die über Jahrhunderte entstandenen Fiktionen werden durch den Glauben, den wir ihnen schenken, zu einer sehr wertvollen, unwiderlegbaren Realität. Obwohl sie der Phantasie entsprungen sind, enthalten sie eine Wirklichkeit zweiten Grades, die menschliche Realität,« sagt die kanadisch-französische Schriftstellerin Nancy Louise Huston. Auf Fiktionen gepfropft, sei das menschliche Bewusstsein eine fabelhafte Maschine. Myself I shall adore, sagt Semele, schon selbstverliebt in die erträumte Göttlichkeit, an derer statt Vernichtung sie erwartet. [sib]

 

Semele von Georg Friedrich Händel, Oper nach Art eines Oratoriums, hatte am 15. Juli 2023 Premiere im Prinzregententheater in München, genial besetzt mit Brenda Rae in der Titelrolle, dem breakdancenden Countertenor Jakub Józef Orlinski und unter der gefeierten Regie von Claus Guth – teuflische Geschichte, himmlisches Vergnügen.

 

Kurzer Aufstieg auf den Yanar in Lykien, der Wald lichtet sich und gibt den Blick frei auf ein Felsplateau mit lodernden Flammen. Sie züngeln seit Ewigkeiten schon aus kleinen Felsspalten, aus denen Gase entweichen und sich entzünden. Die Türken nennen diesen Ort Chimaera, Heimat der sagenhaften Chimäre, des Feuer speienden Mischwesens mit dem Kopf eines Löwen, dem Körper einer Ziege und dem Schwanz einer Schlange.


 

Diesmal kein Kalender, sondern ...
8daw-Redakteure und -Autoren stellen ihre Sommer-Leseempfehlungen vor
 
 

Pavlo Kochan empfiehlt

Henry Mcnulty:
Vogue Cocktails

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Auf jeder Seite wartet ein Abenteuer, jede Mischung birgt eine Reise. Die lebendigen Illustrationen von Palfrey-Rogers erwecken Cocktailklassiker zum Leben, die durch historische Exkurse Kontext erlangen. Sorgfältig ausgewählte Rezepte offenbaren lustvolle Aromen; ein Fest für die Sinne. Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen zu einer Hommage an die Kunst des Mischwesens, eine Inspirationsquelle für Geschmacksexplorationen.

Mosaik Verlag
ISBN 978-1840917888­

Gabriele Werner empfiehlt

Henry Miller: Das Lächeln am Fuße der Leiter

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Wenn in diesem Sommer die Lektüre leicht-füßig, farbig, poetisch sein soll:  Hier ist die Geschichte eines Clowns, dem es nicht genügt, die Menschen zum Lachen zu bringen … er will sie glücklich machen. Wer das Kabinettstück von Henry Miller mit Illustrationen von Joan Miró noch nicht gelesen hat, es passt in jedes Handgepäck.

Rowohlt Taschenbuch
ISBN 978-3499141638


 

Sandra Hachmann empfiehlt

Anne Weber:
Annette, ein Heldinnenepos

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Ein Denkmal in Versen. Um das ungewöhnliche Leben von Anne Beaumanoir (1923 bis 2022) zu erzählen, wählt Anne Weber eine ungewöhnliche literarische Form – das Prosagedicht, geverst, nicht gereimt –, und traf ihre Titelheldin dafür noch zu Lebzeiten. Die Geschichte der humanistischen Abenteurerin, französischen Résistance-Kämpferin, zeitweiligen Kommunistin und engagierten Algerienkriegsgegnerin wird zum Roman über Mut, Widerstandskraft und den Kampf um Freiheit. Weltgeschichte des vergangenen Jahrhunderts und bis heute ein lebendiges Beispiel für die Wichtigkeit des Ungehorsams. Der gekonnte Wechsel zwischen distanziertem Weitwinkel und intimem Zoom ist gleichermaßen spannend und berührend, schwer wiegend und dabei leicht lesbar. Große Erzähl- und Sprachkunst. Heldinnenhaft.

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis 2020.

Matthes & Seitz Berlin
ISBN 978-3751801102

Markus Greve empfiehlt

Isaac Asimov:
Geliebter Roboter

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Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein neues Large Language Modell (LLM) aus dem Boden sprießt. Größer und schneller, mit mehr Grundlage und Training als das vorherige, wird künstliche Intelligenz offenbar eine Art Wahrscheinlichkeitsrechnung. Das erinnert frappierend an die frühen Geschichten von Isaac Asimov aus den 1950er Jahren. Auf die Spitze getrieben ermöglicht dort diese Form der Berechnung in seiner Kurzgeschichte Franchise (Wahltag im Jahre 2008) die Durchführung der amerikanischen Präsidentenwahl durch Multivac in einer elektronischen Demokratie. Und so beschäftigte sich Asimov schon 1955 mit heute brandaktuellen Themen rund um Digitalisierung und künstlicher Intelligenz und deren Auswirkungen auf unser gesellschaftliches Handeln. Anlass für mich, als Sommerlektüre dieses Jahr mal wieder eine seiner vielen Sammelbände hervorzusuchen …

Heyne
ISBN 978-3453528437


 

Martina Wember empfiehlt

Anne von Canal,
Heikko Deutschmann:
I get a bird

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Ein lange verlorenes Notizbuch taucht plötzlich im Briefkasten der Zukunftsforscherin Jana auf. Es entsteht ein ungewöhnlicher Austausch zwischen dem Finder (Busfahrer) und der zunächst gar nicht freudig überraschten Jana. Es geht um Lebensträume, Beziehung (Eltern-Kind) und Neubeginn. Ein spannender, Selbsterkenntnis stiftender Dialog zweier Seelen.

Rowohlt Taschenbuch
ISBN 978-3499008603

Michael Bundscherer empfiehlt

Oliver Wurm:
Der klAIne Prinz

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Erinnern Sie sich noch an den kleinen Prinzen? Dieser poetische Text von Antoine de Saint-Exupéry hat mich seinerzeit berührt. Doch die Welt hat sich verändert und die Herausforderungen sind heute andere als bei der Erstveröffentlichung 1943 (vor genau 80 Jahren): Die Klimakrise und die vielen Umwälzungen sind beunruhigend, während Large Language Models (LLM) und AI vielleicht auch Chancen bieten. Was passiert, wenn man ChatGTP zum kleinen Prinzen befragt? Was könnte er vor der UN-Generalversammlung und zu den Klimaprotesten sagen? Welche Bücher würde er heute lesen? Würde der Geograph die Erde noch immer als Reiseziel empfehlen? Oliver Wurm hat solche Gespräche und einige Zitate aus dem Ursprungswerk zusammengefasst. Diese so entstandene Nachdenkpublikation hat mir einiges vor Augen geführt: LLM bietet neue Möglichkeiten – allerdings gibt es (derzeit) auch Einschränkungen. Und ich werde den kleinen Prinzen im Sommer wieder lesen, denn dieser Text ist schöner und aktueller denn je.

Oliver Wurm I Medien
ISBN 978-3969665961


 

Herbert Lechner empfiehlt

Dorothy Leigh Sayers: Der Mann, der Bescheid wusste

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Nein, bitte nicht gleich abwinken! Natürlich kennen wir alle Lord Peter Wimsey samt dem unerlässlichen Bunter und dem treuen Inspektor Parker, ebenso natürlich Montague Egg mit den herrlich mühsam gereimten Sprüchen aus seinem Vertreterhandbuch. Wir haben sämtliche Fälle gelesen, die Dorothy Sayers für ihre Protagonisten erdacht und sorgsam recherchiert hat. Doch Taten, Täter und Lösungen sind eigentlich nie die Hauptsache, vielmehr die messerscharfen, ironischen Darstellungen der Details am Rande. Wären nicht brütend heiße Ferientage am Strand oder auf dem Balkon, wenn das Sprechen schon auf eine Minimalsprache reduziert ist (wie das Franziska zu Reventlow so schön beschrieben hat), ideal geeignet, sich den Feinheiten ihrer Formulierungen, den kleinen Bosheiten zu Verhalten, Physiognomien und Orten zu widmen? Und zu entdecken, dass zwischen den Zeilen dieser emanzipierten Oxford-Absolventin einiges zu entdecken ist? Zum Auftakt vielleicht: Der Mann, der Bescheid wusste?

Scherz
ISBN 978-3502508878

Sigrun Borstelmann empfiehlt

Harald Haarmann:
Die seltsamsten Sprachen der Welt. Von Klicklauten und hundert Arten, ich zu sagen

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Jenseits von Fotobänden und Malbüchern haben ja die meisten Bücher mit Sprache zu tun, aber dieses Werk des Sprachwissenschaftlers Harald Haarmann ist besonders spannend, weil es sprachliche Phänomene aus aller Welt zusammenträgt, seien es besondere Schriften, ungewöhnliche Kommunikationsregeln oder Wortschätze, die diese Bezeichnung wirklich verdienen. Dabei ist das Buch nicht einfach eine Kuriositätensammlung, sondern geht den Kulturen auf den Grund, die sich in ihrer Sprache jeweils entäußern. Und sollte der Sommerurlaub verregnet sein, dann kann man den Niederschlag immerhin auf Hawaiianisch unterscheiden in kili (leichter Regen, von gelegentlichem Donner begleitet) und kilikili noe (leichter, kalter Regen, von Nebel begleitet).

C. H. Beck Verlag
ISBN 978-3406767265


 

Martin Summ empfiehlt

Byung-Chul Han:
Vom Verschwinden der Rituale

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Man liest eigentlich nicht das Buch, sondern sich selbst. Kein Buch zum Quer- und auch nicht zum Nebenher-Lesen. Strand ja, Bett nein! Auch wenn es leicht geschrieben ist, ist es als Bettlektüre ungeeignet, da es den inneren Widerspruch strapaziert und man unweigerlich in einen schlafraubenden Diskurs zwischen Zustimmung und Ablehnung gerät. Warum? Weil die Zuspitzung der Gedanken oft schmerzlich und der beschriebene Gegenwartsbegriff eben auch eine Beschreibung des eigenen Verhaltens ist – dabei wäre man doch so gerne besser und unabhängiger von Zeitphänomenen, individueller und aufgeklärter. Und dann schleicht sich Erkenntnis ums Eck: ist man halt doch nicht. Kann man mit diesem Buch aber ein bisschen werden.

Ullstein Hardcover
ISBN 978-3550050718

Ulrich Müller empfiehlt

Stéphane Hessel, Edgar Morin: Wege der Hoffnung

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Immer wieder mal stolpert man über Texte, die bei aller Sympathie auch zu Widerspruch und kreativem Weiterdenken reizen. Das 2011 erschienene Buch Wege der Hoffnung der beiden französischen, intellektuellen Urgesteine Stéphane Hessel und Edgar Morin gehört dazu. Der kurze Text, in dem sie erstmals auch von der Notwendigkeit einer neuen Renaissance sprechen, ist eher Manifest als kühle Analyse. Getragen von einem aufrührerisch-utopischen Geist, der einen mitunter fragen lassen könnte, ob das nicht ein wenig naiv sei oder ob da bei einem selbst womöglich nur die eigene Desillusioniertheit anklopfe. Und nicht zuletzt wirkt die ausschließlich französische Perspektive, aus der heraus die Autoren schreiben, gelegentlich befremdlich. Und doch, bei aller Ambivalenz: Es ist ein wichtiger Text, der auf der Suche nach Lösungen für die Zukunft Mut macht.

Ullstein Hardcover
ISBN 978-3550080067


 
 

New entries: culinary forays

by Boris Kochan & Laura Meseguer

Laura and Boris are always asked which bars or restaurants they have been to or whether they could recommend something. The culinary forays take the 8daw community to Laura's and Boris' surprising encounters with outstanding restaurateurs, idiosyncratic restaurant concepts and culinary moments: Highly subjective, as fickle as it is incorruptible. But always with a lot of pleasure …

 

 

YouTube A

 

Vor allem, wenn es um Kinder, die wehrlosesten Mitglieder unserer Gesellschaft geht, bleiben Persönlichkeitsschutz und Social Media ein brandaktuelles Thema:. Allzu sorglos posten Eltern Bilder ihrer Sprösslinge auf Instagram & Co. Manche sind skrupellos genug, sich davon auch noch einen Benefit zu erhoffen – bei ihren Empfehlungen von Babynahrung, Spielzeug und Hygieneartikeln. Das sei Kinderarbeit meint die Bloggerin Toyah Diebel, deren Kamapagne schon 2020 für Aufsehen gesorgt hat. Doch lauern auch schlimmere Abgründe. Ein Schlaglicht, das unter die Haut geht, hat jüngst die Telekom darauf geworfen – was für einen Netzanbieter ebenso ehrenwert ist, wie es sich im Grunde auch gehört. Herausgekommen ist ein kurzer Deepfake-Spot, der das Thema ebenso emotional wie umfassend aufgreift und dabei vor allem Identitätsdiebstahl und sexuellen Missbrauchs thematisiert, die im Zeichen künstlicher Intelligenz auf erschreckende Weise Aufwind erfahren haben.


 
 
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In der 8daw-Ausgabe BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir uns unter anderem mit dem Thema geschlechter­spezifische Schreib­weise beschäftigt. Im Ergebnis fanden wir die Empfehlung eines Lesers für uns am geeignetsten: »Der Mittel­punkt (MacOS: Shift+Alt+9; Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der Asterisk *, stört jedoch deutlich weniger den Lese­fluss der Leser·innen, weil er nicht nach Fußnoten ruft und auch keine Text­lücken reißt wie der Gender_Gap. Im Hinblick auf Lesbarkeit und Typografie­qualität also eine bessere Alter­native, und inhaltlich – als Multiplikationszeichen verstanden – treffend. Oder?« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch frei, ob sie den Mittel­punkt oder eine andere Form benutzen. Alle personen­bezogenen Bezeichnungen sind jedenfalls geschlechts­neutral zu verstehen.


8daw ist der wöchentliche News­letter von Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik, Unternehmen und Organisationen. Er erscheint in Verbindung mit Kochan & Partner und setzt so die lang­jährige Tradition der Netzwerk­pflege mit außer­gewöhnlichen Aus­sendungen in neuer Form fort. 8daw versteht sich als Community- und Kollaborations-Projekt insbesondere mit seinen Leser·innen – Kooperations­partner sind darüber hinaus zum Beispiel die GRANSHAN Foundation, die EDCH Foundation, der Deutsche Designtag (DT), der BDG Berufsverband der Deutschen Kommunikations­designer und die Typographische Gesellschaft München (tgm).

 

Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Steinerstraße 15c, 81369 München, boriskochan.com, zu erreichen unter boris.kochan@eightdaw.com oder +49 89 178 60-900 (facebooktwitterinstagram)
in Verbindung mit
Kochan & Partner GmbH, Steinerstraße 15c, 81369 München, news@kochan.de

Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sh], Herbert Lechner [hel], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk]; Homepage und Newsletter-Technik: Pavlo Kochan [pk]; Basisgestaltung: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger, beide zu beziehen über TypeTogether; Versand über Mailjet.


Bildnachweis:

© Lulumoonowlbooks


Ausgabe: #116
Erschienen am: 4. August 2023 [KW31]
Thema: Mischwesen und Cocktails


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