ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel
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mit Boris Kochan und Freunden am 11. Februar 2024 |
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{% if data:du_version:"" %}[[data:du_version]],{% elseif data:anrede == "Herr" %}Lieber Herr [[data:lastname]],{% elseif data:anrede == "Frau" %}
Liebe Frau [[data:lastname]],{% else %}Sehr geehrte Damen und Herren,{% endif %}
»es gab eine Zeit, in der wir mehrere Werte gleichzeitig zu vertreten in der Lage waren: Gleichheit und Freiheit, Antirassismus und Meinungsfreiheit, Vielfalt und Toleranz« schreibt die französisch-israelische Soziologin Eva Illouz in einem leider hinter der Bezahlschranke verborgenen Gastbeitrag für die Süddeutsche: Das politische Klima habe sich drastisch verändert. Plötzlich sind alle dazu angehalten, sich »für ein Lager zu entscheiden: zwischen dem Kampf gegen Islamophobie und dem Kampf gegen Antisemitismus. Zwischen tugendhafter Zensur und freier Meinungsäußerung. Zwischen den Menschen in Gaza und dem Existenzrecht Israels. Es ist, als ob wir alle kollektiv an eine ideologische Wand gedrückt werden und nun gezwungen sind, unsere Opfer zu priorisieren. Schlimmer noch: Im Wettbewerb der Opfer behauptet jedes Lager auf unerträgliche Weise, nur die eigenen Opfer zählten.« Mit den Massendemonstrationen der letzten Wochen ist erstmals seit langer Zeit etwas anderes möglich geworden – ein breites Bündnis gegen Faschismus und die AFD. Die Menschen sind auf die Straße gegangen, weil sie es als ihre Bürgerpflicht angesehen hätten, wurde immer wieder formuliert … und damit ein kleines, zartes Pflänzchen der Vielfalt begründet. Der Philosoph, Soziologe und erste Staatspräsident der Tschechoslowakei, Tomáš Garrigue Masaryk, hat zur Aufgabe der Bürger einmal formuliert: »Demokratie ist nicht Machtausübung, sondern bedeutet Arbeit, um Gerechtigkeit zu sichern. Und Gerechtigkeit ist die Mathematik der Menschlichkeit.« Für ihn fusst die Demokratie als »politische Organisation der Gesellschaft auf der ethischen Grundlage der Humanität«, die Demokratie ist mehr als eine Staatsform, mehr als in den Verfassungen geschrieben steht: »Die Demokratie ist Lebensanschauung, sie beruht auf dem Vertrauen in die Menschen, in die Menschlichkeit und in die Menschheit. Und es gibt kein Vertrauen ohne Liebe, keine Liebe ohne Vertrauen.« Vielleicht geht das Kalkül der unerträglichen Koalition aus Ewiggestrigen, Unzufriedenen, Autokratie-Süchtigen doch nicht auf, wenn wir uns an solche Mehr-Werte der Demokratie erinnern. Und an einen Satz des leider gerade verstorbenen Philosophen Oskar Negt: »Wer keine Kraft zum Träumen hat, der hat auch keine Kraft zum Erkennen und zum Kämpfen.« Ich wünsche der aus der Mitte der Gesellschaft von über 90 Gruppen und Institutionen organisierten Lichtermeer-Demonstration »Für Demokratie, gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Hetze« heute Abend ab 18:00 Uhr auf der Münchner Theresienwiese einen riesigen Erfolg! Boris Kochan
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Die letzten zwei Wochen waren für mich und die kleine Gruppe von Organisatoren der 13. GRANSHAN Type Design Competition geprägt von heftigsten, vielfach diffamierenden Kommentaren in den unsozialen Medien zu einem unserer Jurymitglieder, dem Script Chair für die kyrillische Script Group, Alexei Vanyashin. Sein Fehler: Er ist Russe. Und engagiert sich seit Jahren mit vielen anderen für den Reichtum der Schriftsprachen und Schriftarten – jenseits des lateinischen Alphabets. Fürs Brückenbauen … Schweren Herzens haben sich Alexei Vanyashin und wir uns – letztendlich zu seinem Schutz – dazu entschieden, dass er für diese Ausgabe des Wettbewerbs seine ehrenamtliche Funktion als Script Chair ruhen lässt – und wir als GRANSHAN Foundation in einem Statement zu den Anwürfen Stellung beziehen. Das Kalkül der Hetze geht also trotzdem nicht auf, denn: Zusammenarbeiten werden wir weiterhin, jetzt und in Zukunft …
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Wenn Zufall, Überraschung und Kalkül zusammentreffen – und dann noch das Blitzlicht des begnadeten New Yorker Fotografen Bruce Gilden, dann entsteht Street Photography at its best. Unbemerkt kommt er seinen Models ganz nah und fotografiert diese mit Leica-M-Kameras mit Weitwinkelobjektiven und entfesseltem Kompaktblitz unvorbereitet aus nächster Nähe: »I'm known for taking pictures very close, and the older I get, the closer I get.«
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Übrigens: Zündeln mit dem Feuer – auch Martina Wembers Illustrationen dieser Ausgabe entstanden so geplant wie zufällig. Strichhölzer, Klebstoffe, Farbe und mehr gehen hier überraschende und erhellende Verbindungen ein.
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Jetzt, wo der Welt wieder der Trump droht, darf daran erinnert werden, dass wir seiner ehemaligen Beraterin Kellyanne Conway das Wort von den alternativen Fakten verdanken. Anlass für diese weltverändernde Wortschöpfung war die Amtseinführung Trumps 2017, bei der die Republikaner eine gigantische jubelnde Menschenmenge ausgemacht haben wollten, auch wenn Fotos dieses Ereignisses einen eher mauen Zuspruch nahelegen (siehe hierzu die beiden gegenübergestellten Bilder von Trumps und Obamas Amtseinführung in der Süddeutschen Zeitung). Als am 19. Januar dieses Jahres in Hamburg mehrere zehntausend Menschen gegen die AfD auf die Straße gingen, sprach Björn Höcke, gegen den gerade eine Online-Petition zur Entziehung von Grundrechten läuft, nun von Fake News, weil er entdeckt haben will, dass die von der dpa abgelichtete Menschenmenge in Teilen in der Alster stehen würde (siehe hierzu das vom ZDF veröffentlichte dpa-Foto auf X): Ergo müsse dieses Bild ein gefälschtes sein. Warum dem Mann piepegal ist, dass das etwas mit dem Kamerawinkel zu tun haben könnte, hat ein Nutzer auf X glasklar analysiert: »Herr Höcke entdeckt die Geheimnisse der Perspektive. Das ist für ihn etwas schwieriger, denn bisher kannte er nur die eigene.«
Alternative Fakten oder Fake News – in der bunten Lügenwelt der Rechtspopulisten spielt es keine Rolle, was das eine ist und was das andere. Hauptsache es dient dem Zweck, Wirklichkeit und Demokratie zu zersetzen. Dem Philosophieblog in DER STANDARD gelingt es, eine treffliche Differenzierung zwischen Fake News und alternativen Fakten zu entwickeln, die die gefährliche Wirkmächtigkeit des Zusammenspiels beider Arten eingängig herauspräpariert. Fake News, so die Autorin, können demnach als regulative Verstöße gegen die Regeln eines an der Wahrheit orientierten Diskurses gesehen werden, alternative Fakten hingegen stellen eine konstitutive Regel jeglichen Diskurses »nämlich die Wahrheit als solche (...) infrage.« So die Kurzfassung.
Das bringt uns zurück zum bundesrepublikanischen Demonstrationsgeschehen der vergangenen Wochen. Mehr als 100.000 Teilnehmer will die Polizei allein in München gesichtet haben, von 250.000 hingegen sprechen die Veranstalter. Steckt hinter dieser doch erheblichen Differenz womöglich politisches Kalkül? Fake News oder alternative Fakten gar? Weder – noch, sagen Expert·innen. Tatsächlich beruhen solche Zahlen lediglich auf Schätzungen, wobei die Polizei eher konservativ sei, die Veranstalter hingegen eher euphorisiert und zumeist pendelt es sich irgendwo in der Mitte ein. Das deckt sich nicht nur mit der Wahrnehmung des Autors dieses Artikels, der sich in der gewaltigen und äußerst gut gelaunten Menschenmenge treiben ließ, sondern, nach entsprechender Nachfrage, auch mit der Schätzung dreier Bereitschaftspolizisten. Dem einen von ihnen entfuhr dabei mit einem breiten Grinsen ein beherztes »voll geil!«. [um]
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Vor Kurzem, am 21. Januar, jährte sich Lenins Todestag zum hundertsten Mal. Ohne despektierlich sein zu wollen, bietet das Gelegenheit, sich mit einer Merkwürdigkeit der Farbe Rot zu beschäftigen. Ist sie doch einerseits die sozialistisch/kommunistische Symbolfarbe und andererseits und geradezu diametral entgegengesetzt, die Farbe des hochmotorisierten Turbokapitalismus schlechthin. Die Rede ist natürlich vom Ferrari-Rot. Er hätte diese Farbe gewählt, weil alle Kinder rote Autos malen würden, meinte einst Enzo Ferrari, manche Kinderpsychologen hingegen sagen, Kinder würden Rot grundsätzlich bevorzugen, weil es Ausdruck von Lebensfreude sei. Der übermäßige Gebrauch der Farbe Rot hingegen spräche allerdings auch von einem Hang zu Aggressivität. Irgendwie gibt das zu denken.
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Wie schmeckt Kalkül? Vielleicht metallisch? Eher kühl? Oder wie am Vortag frittierte Pommes? Kalkül braucht ein formales System aus Regeln, ein System, das die »nüchterne« Betrachtung, die exakte Berechnung (angeblich) ermöglicht. Der Fokus zielt meist auf Erfolgserwartung, Wertezuwachs, die Aussicht auf Belohnung. Hier fühlt sich der von Pink Floyd in Money unvergleichlich besungene Homo oeconomicus wohl, der »die Dinge der Welt nicht nach wahr und falsch, gut und böse, gerecht und ungerecht sortiert, sondern nach den Kriterien von Gewinn und Verlust«, wie der Medienwissenschaftler und Philosoph Joseph Vogl in Poetik des ökonomischen Menschen schreibt. Bleibt in solcher Logik Raum für Zweifel, Chaos, Zärtlichkeit?
Schon im 18. Jahrhundert entwickelt der englische Jurist, Philosoph und Sozialreformer Jeremy Bentham das hedonistische Kalkül und gemeinsam mit dem Philosophen und Ökonom John Stuart Mill den Utilitarismus: Lust und Freude sollen gefördert, Unlust und Leid minimiert werden. Die Abwägung des Nutzens kann nach Mill nur dann ein gutes Ende finden, wenn es auf einem Menschen- und Weltbild fußt, das schon von Grund auf solidarisch und gemeinschaftlich orientiert ist.
Zeigen sich hier Risse im Festgefügten? Könnte hier Raum sein, in den Herman van Veens Ich hab’ ein zärtliches Kalkül fließt? Ein Raum für Spitzenklöpplerinnen und Suppenköche? Für Akrobatinnen und Perlentaucher, Drachenfliegerinnen und Hiphop-Tänzer? Und für so viele mehr? In einem Leserbrief an 8daw vom Mai 2021 schreibt der Managing Director von Studiosus Reisen, Guido Wiegand: »Menschen sind inkonsequent, unlogisch, emotional, unberechenbar, wunderbar.« Sie können (i.d.R.) auch rechnen. Aber nicht nur. [gw]
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Tatsächlich fühlt man sich manchmal wie ein Spielstein, ein calculus, den höhere Mächte auf einem Brett hin- und herschieben, und das Leben erfüllt alle Kriterien des daraus abgeleiteten Begriff des Kalküls – wobei noch offen bleibt, ob maskulin oder neutrum. Die männliche Form, der Kalkül, stellt in der Mathematik ein System aus Bausteinen, Formations- und Transformationsregeln dar, aus dem sich weitere Formeln ableiten lassen, etwa im Sinne von Programmiersprachen oder im logischen Denken, das damit einem Rechenvorgang gleichgesetzt wird. Doch weil die menschliche Existenz alles andere als logisch oder geregelt abläuft, dürfte es sich dabei um die sächliche Form handeln, das Kalkül:
Auch wenn noch so viel ab-, auf- und angerechnet wird, aufaddiert und auseinanderdividiert – am Ende geht die Rechnung doch selten auf. Vielleicht liegt das daran, dass typischerweise ein Kalkül zwar ein in sich geschlossenes Regelsystem ist, das etwa beim Schachspiel festlegt, wie die Figuren ziehen dürfen. Mit diesen Vorgaben ist allerdings kein konkretes Ziel verknüpft – mit anderen Worten: Gewinnen ist in der Logik kein Teil des Kalküls.
Das erklärt natürlich, warum die bestkalkulierten Schachzüge, wie sie etwa in der Politik vorkommen, oft scheitern: die Antisemitismus-Enthüllung bei Aiwanger, die Anklage von Trump, vielleicht auch das vieldiskutierte Verbot der AfD? Wobei die Politik ein wunderbares Beispiel für die Theorie des Mathematikers George Spencer-Brown ist, wonach alle Kalküle auf der Operation des Unterscheidens basieren: Indem Menschen Unterscheidungen treffen, unterteilen sie das Unbestimmte in Bereiche, denen sie Bezeichnungen zuordnen können. Genauso definiert sich das politische Spektrum durch Unterscheidungen – ein Kalkül, das die AfD wahltaktisch perfekt ausspielt: nicht sein, sondern sein, was man nicht ist, anders sein, sich einfach von unpopulären Maßnahmen der politischen Gegner nach oben tragen lassen. Doch die erste Grundregel der Kalküle bei Spencer-Brown lautet: Ping Ping gleich Ping. Praktisch ausgedrückt: Eine falsche Aussage wird nicht richtig, weil man sie wiederholt. Für Handlungen gilt leider: Ein Fehler, den man zweimal begeht, wiegt doppelt schwer. [sib]
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In der 8daw-Ausgabe
BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir uns unter anderem mit dem
Thema geschlechterspezifische Schreibweise beschäftigt. Im Ergebnis fanden
wir die Empfehlung eines Lesers für uns am geeignetsten: »Der Mittelpunkt
(MacOS: Shift+Alt+9; Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der Asterisk *,
stört jedoch deutlich weniger den Lesefluss der Leser·innen,
weil er nicht nach Fußnoten ruft und auch keine Textlücken reißt wie der
Gender_Gap. Im Hinblick auf Lesbarkeit und Typografiequalität also eine
bessere Alternative, und inhaltlich – als Multiplikationszeichen
verstanden – treffend. Oder?« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch
frei, ob sie den Mittelpunkt oder eine andere Form benutzen.
Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind jedenfalls geschlechtsneutral
zu verstehen.
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8daw ist der
wöchentliche Newsletter von Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den
Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik, Unternehmen und Organisationen.
Er erscheint in Verbindung mit Kochan & Partner und setzt so die
langjährige Tradition der Netzwerkpflege mit außergewöhnlichen
Aussendungen in neuer Form fort. 8daw versteht sich als Community- und
Kollaborations-Projekt insbesondere mit seinen Leser·innen –
Kooperationspartner sind darüber hinaus zum Beispiel die GRANSHAN Foundation, die
EDCH Foundation, der Deutsche Designtag (DT), der BDG Berufsverband der Deutschen
Kommunikationsdesigner und die Typographische Gesellschaft München (tgm).
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Herausgeber und
Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts
ist Boris Kochan [bk], Steinerstraße 15c,
81369 München, boriskochan.com,
zu erreichen unter boris.kochan@eightdaw.com oder +49 89 178 60-900
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Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sh], Herbert Lechner [hel], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk]; Homepage und Newsletter-Technik: Pavlo Kochan [pk]; Basisgestaltung: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger, beide zu beziehen über TypeTogether; Versand über Mailjet.
Bildnachweis: Bilder dieser 8daw-Ausgabe © BRUCE GILDEN
Fundstück Hogesatzbau / Aktivistmuss
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