ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel
|
mit Boris Kochan und Freunden am 17. April 2023 |
|
Sehr geehrte Damen und Herren,
Knocking on heavens door ist nicht mit umgezogen, als wir im September 2022 nach etwas mehr als 30 Jahren die Hirschgartenallee verlassen haben. Und das ist auch gut so. Die Geschichten zu dieser Unternehmenshymne sind in den 1990er Jahren entstanden, als wir kurz nach dem Mauerfall in Goldgräberstimmung für einen Auftraggeber aus der Bürotechnikbranche versuchten, Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn mit für ihn gestalteten Messeauftritten zu erobern. Wir haben dazu extra einen Bereich Messebau aufgebaut … und der Song schallte uns im frühmorgendlichen Budapest nach einer der unendlich vielen und viel zu langen Nachtschichten auf der engen Treppe hinunter in einen Kellerclub entgegen. Meinen damals kaum vorhandenen Englischkenntnissen ist es zu verdanken, dass aus der Himmelspforte den Gegebenheiten entsprechend das Tor zur Hölle wurde: so geil! Ein perfekter Ausgangspunkt für die Legendenbildung … Untergekommen ist mir die Erinnerung an den ursprünglich von Bob Dylan für Pat Garrett & Billy the Kid komponierten Titel anlässlich der Beschäftigung mit dem in dieser Woche 75 Jahre gewordenen Joschka Fischer – in einem langen, nachhörenswerten Gespräch mit Stephan Lamby, bei dem er sich am Ende über seine Liebe zur Musik von Bob Dylan äußert. Seine Positionen zum Kosovokrieg (»Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Beides gehört bei mir zusammen.«) und zum Irakkrieg (»I’m not convinced«) sind nicht nur Meilensteine deutscher Außen- und Parteipolitik, sondern auch gerade jetzt bemerkenswerte Haltungen, wenn es um den russischen Krieg gegen die Ukraine und deren Selbstverteidigung geht. Als wir Kochan & Partner 1981 unweit der Hirschgartenallee gründeten, wurde gerade das Kriegsrecht in Polen ausgerufen, um die Demokratiebewegung und Solidarność zu zerschlagen. Ein Jahr später führte Margaret Thatcher Krieg um die Falklandinseln. 1983 und 1984 ist die Welt nach der Stationierung der Pershing-II-Raketen in Deutschland wohl mehrfach knapp an einem Atomkrieg vorbeigeschrammt. Erst als Michail Gorbatschow 1985 an die Spitze der KPdSU trat, wandelte sich das weltpolitische Klima. Ohne ihn wären wir nie die enge Stiege zu Knocking herabgestiegen … Es ist fast schon ein Gemeinplatz, dass Unternehmensentwicklung genauso wie jegliche Design- und Kommunikationsarbeit kontextbedingt ist. Entscheidend ist dabei jedoch, mit welcher Haltung und welcher Perspektive an Aufgabenstellungen herangegangen wird – gerade auch in Krisenzeiten. Design ist systemimmanent zukunftsorientiert … und dazu braucht es dieses insbesondere auch in den Songs von Bob Dylan transportierte unbändige Gefühl von Freiheit und Kreativität, ja auch von wunderbar (un)vernünftiger Großzügig- und Gelassenheit. Genauso ist aus unserem Unternehmen eine Unternehmung geworden – etwas, das sich am Anders und nicht am Ähnlichen orientiert. Ich ziehe meinen Hut vor meinen beiden Kollegen, Markus Greve und Martin Summ, die nun bereits vor einem halben Jahr – wie lange vorbereitet – die Unternehmensführung von Kochan & Partner alleine übernommen haben … und schiebe eine Riesenportion Energie und Zuneigung rüber! Mit freundlichen Grüßen Boris Kochan
|
|
Dies 8daw-Ausgabe erscheint ungewöhnlicherweise an einem Montag – heute vor 200 Tagen, am 30. September 2022, haben wir gleiche mehrere Anlässe miteinander verbunden und unser letztes großes Fest in der Hirschgartenallee gefeiert. Etwas mehr als ein halbes Jahr später, nach unserem Umzug in die Steinerstraße nach Sendling und der Übergabe der Geschäftsführung in die alleinige Verantwortung von Markus Greve und Martin Summ wollen wir zurück- und nach vorne blicken. Auch wenn diese Ausgabe besonders umfangreich geraten ist (Entschuldigung bitte!), haben wir vieles weggelassen – zum Beispiel die sehr berührende Rede von Eberhard Spangenberg bei unserem Fest unter dem Titel MOVING MOMENTS. Nachdem es uns um den Wandel geht, und es sich lohnt, immer wieder genau hinzugucken, werden wir wohl all dieses (und jetzt Weggelassenes) noch einmal aufgreifen …
|
|
Ein Löwe ist das Symbol von Umzüge Braun, mit denen uns eine besondere Freundschaft verbindet: Sind doch der Gründer Erich Braun und ich ungefähr gleich lang als Unternehmer tätig und haben uns in den nun mehr als 40 Jahren immer wieder gegenseitig geholfen. Und noch etwas verbindet uns: Über viele Jahre hat auch sein Unternehmen sehr ungewöhnliche Drucksachen nicht nur zum Jahreswechsel gestaltet und versendet. Einige Abbildungen aus diesen Aussendungen begleiten diese 8daw-Ausgabe über den Umzug und das Fest von Kochan & Partner im letzten Jahr. Übrigens: Ein wenig grimmig darf der König der Tiere, diese urmünchnerische wie urbayerische Großkatze, schon gucken, steht sie doch für die lässige Souveränität, mit der Erich und seine Kolleg·innen Umzüge aller Art hochprofessionell als Münchens freundlich(st)e Möbelpacker erledigen.
|
|
Von München in den Dschungel und zurück: löwenstark! Aus dem Begleittext zur Broschüre Der Löwe Leopold und der goldene Suppenkessel: »Auf dem Rückweg begegnete uns im tiefen Urwald ein mächtiger Löwe mit zottiger Mähne, der sich verirrt hatte. Zu allem Unglück hatte er auch noch eine wehe Vorderpfote, weil er in einen Kaktus getreten war. Der Löwe fühlte sich unglücklich und überhaupt nicht wie der König der Tiere. Komm doch mit uns, schlugen wir ihm vor, heiße Leopold und sei unser Wappentier! Und fortan wich der Löwe Leopold nicht mehr von unserer Seite.« Und Erich Braun immer ganz vorne mit dabei …
|
|
Gabriele Werners Abschiedsrede über das Werden |
|
Mit dem letzten großen Fest in der Hirschgartenallee unter dem Titel Moving Moments hat Kochan & Partner nach über 30 Jahren Abschied von seinen Räumlichkeiten in Nymphenburg genommen. Mit dem Umzug in die Steinerstraße nach Sendling verabschiedeten sich bei der Feier außerdem Boris Kochan und Gabriele Werner als Geschäftsführer – auch wenn beide dem Unternehmen als Inhaber und Berater verbunden bleiben, war es ein sehr emotionaler Moment. Gabriele Werner hat in ihrer Abschiedsrede am 30. September 2022 über das Werden auch anhand der Entstehung der Einladungskarte zum Fest gesprochen … Wir dokumentieren hier ihre vorgetragenen Gedanken im Wortlaut. Sehr geehrte Damen und Herren,
Moving Moments: Ein Augenblick – schon ist er vorbei. Er entzieht sich der zeitlichen Berechnung, ist aus dem Nicht-Mehr oder dem Noch-Nicht gelöst – eine winzige Insel im Fluss der Zeit. Auch Vergangenes landet hier an und färbt die Gegenwart. Da kommt viel zusammen, wenn man auf die vergangenen Jahre schaut. Das ist so ein janusköpfiges Schauen – zurück und nach vorne. Wenn man dann in einer Situation landet, in der man ganz ungeschützt vor sich hin reden darf, sich ungerügt auf Abwege begeben kann, Chaos anrichtet und dabei Menschen um sich weiß, die jede Logik außen vor lassen können, die Haken schlagen, die ihre ungebürsteten Perlen in den Ring werfen, dann können solche Dinge entstehen wie zum Beispiel diese Einladung mit ihren seltsamen stichpunktartigen Haltegriffen. Einer davon heißt Amore. Natürlich. Dann gibt es den Pfeil, der die Richtung kennt, der den Schützen mit dem Ziel verbindet. Vielleicht ist es Amors Pfeil, der immer trifft. Das Loch, das ja nicht etwa Nichts ist, sondern ganz viel außen rum. Erst dieses Außenrum macht das Loch zum Loch. Man kann hindurchschauen, ins Freie, Weite, Kommende. Dazu das Ziehen, Quetschen, Falten, das Einatmen und Ausatmen der Ziehharmonika, der garstigen Kaschemmenmusik, die Astor Piazolla zum Tango Nuevo entwickelt hat. Die Ziehharmonika ist aber auch ein Bild für das Zusammenfalten und Auseinanderziehen von Zeiträumen. Elisabeth Lenk hat das in ihrem Prolog zu Christa Wolfs Medea in etwa so beschrieben: »Man kann die Zeiträume auseinanderziehen wie eine Ziehharmonika, dann ist es sehr weit von einem Ende zum anderen, man kann sie aber auch ineinanderstülpen wie die russischen Puppen, dann sind die Wände der Zeiten einander ganz nah. Die Leute aus den anderen Jahrhunderten hören unser Grammophon plärren, und wir sehen durch die Zeitwände hindurch, wie sie die Hände heben zum lecker bereiteten Mahle.« Angelandet an der winzigen Insel im Fluss der Zeit ist auch die Freude am puren Schwarz und Weiß, am starken Kontrast, an den sogenannten unbunten oder Nicht-Farben. Weiß ist die hellste aller Nicht-Farben. Helles, unbuntes Licht lässt sich durch Beugung in bunte Spektralfarben zerlegen. Im unbunten hellen Licht, steckt also die Möglichkeit, sich in jede andere Farbe zu entwickeln. Weiß ist so gesehen also weniger eine Nicht-Farbe als vielmehr eine Noch-Nicht-Farbe. Weiß trägt die Möglichkeit zur Verwandlung in sich, ich möchte fast sagen, es legt die Möglichkeit zur Verwandlung nahe. Auch deshalb ist es schön, dass wir jetzt ein neues Kapitel aufschlagen, eine Seite umblättern, dass ein weißes Blatt Papier vor uns liegt. Von dem Rilke sagt: »Man fühlt den Glanz von einer neuen Seite, auf der noch alles werden kann.« Bei diesem Werden wünsche ich viel Mut, Vergnügen, jede Menge gebürsteter und ungebürsteter Perlen. Und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel. Einen vergnüglichen Abend – und allen vielen Dank, die mich so lange ausgehalten haben. Es war mir eine Freude. [gw]
|
|
Erst durch das Außenrum wird das Loch zum Loch. Kaum hindurch geguckt, entstehen neue Blickwinkel und Sichtweisen … in die Ferne, in die Nähe. Ins Vor-uns-Liegende, auch ins Vergangene. Zeiten lassen sich auseinanderziehen und zusammenlegen wie eine Ziehharmonika, sagt die Soziologin Elisabeth Lenk. Dann kommen sich die Zeiten so nahe, dass wir ihre Geschichten, ihre Lieder hören können: »Wir sehen durch die Zeitenwände hindurch« und kommen zusammen, um gemeinsam zu essen, zu trinken und zu feiern! – Dies waren die einführenden Worte in den Begleitbrief zur gedruckten Einladung. Mit der kleinen Animation lässt sich die Machart vielleicht etwas besser nachvollziehen. Wer die Einladung gerne noch im Original zugesendet bekommen möchte: E-Mail an Boris Kochan genügt.
|
|
Für diese Aussendung wurde aus Umzüge Braun kurzerhand Kreuzzüge Braun. Aus dem Text: »Die Welt ist tief und tiefer als der Tag gedacht. Tief ist ihr Weh – Lust tiefer noch als Herzeleid. Weh spricht: Vergeh! Doch alle Lust will Ewigkeit – will tiefe, tiefe Ewigkeit.« Und Erich Braun immer mit dabei …
|
|
Boris Kochan und Martin Summ im Gespräch |
|
Moving Moments? Seit einem halben Jahr arbeitet Kochan & Partner jetzt in neuen Räumen unter der Führung von Markus Greve und Martin Summ. Was hat sich seither verändert? Boris Kochan fragt Martin Summ nach seinen Eindrücken. Boris Kochan: Wie geht es Dir, wenn Du morgens in der Steinerstraße die Treppen hoch gehst und im zweiten Stock ankommst? Bist Du stolz? Martin Summ: Stolz am Morgen? Nee, spüre ich nicht. Für mich ist das ein sehr anderes Gefühl, wenn ich da morgens reingehe – eine äußerst angenehme Form der Ruhe: Ruhe und Klarheit. Man kommt an und hat sofort alles im Blick. Das ist wirklich ganz anders als in den alten, zwar großen, aber unübersichtlichen Räumen, wo man nie wusste, wer, wann, über welchen der fünf Eingänge das Haus betritt. Wo musste man nicht überall herumlaufen, um eine verirrte Seele aufzusammeln! Hier in der Steinerstraße gibt es einen Eingang – der zugleich Ausgang ist. Da sehe ich, wer kommt, wer geht. Und wie es den Menschen geht. Ob sie gestresst sind, vielleicht fröhlich, übermüdet, nass. Und durch die Raumgestaltung können alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen, was bei uns gerade passiert. Das Büro verwandelt sich immer wieder – vom Kreativ- zum Meetingraum, vom Film- zum Foto- oder sogar Kochstudio – und alle kriegen das mit. Stolz gibt es natürlich auch. Zum Beispiel, wenn Kunden bei ihrem ersten Besuch uns zu den neuen Räumen und zu den Gedanken gratulieren, die wir uns gemacht haben. Auch sind wir jetzt das neue Musterbüro des Vermieters – alle Interessenten werden bei uns durchgeführt. Und dann bekommen sie auch noch den mit Abstand besten Espresso des Areals bei uns. Welche weiteren Unterschiede zur Hirschgartenallee sind aus Deiner Sicht erwähnenswert? Wir orientieren uns nicht mehr an fachlichen Abteilungen, sondern schaffen flexible Räume für unterschiedliche Nutzungsbedürfnisse. Zum Beispiel das Bedürfnis nach Austausch und Zugehörigkeit, aber auch nach Ruhe und Konzentration. Entsprechend sind die Räume gestaltet: offen, halboffen, geschlossen, verschlossen und weg. Weg bedeutet dabei außerhalb des Unternehmens, im Homeoffice oder Café zum Beispiel. Wenn ich mich in eine geschlossene Koje setze, signalisiere ich damit auch, dass ich nicht gestört werden möchte. Ganz offen ist hingegen die Küche oder der ganze hintere, kreative Bereich. Es funktioniert erstaunlich gut … ich wünsche mir allerdings noch mehr Bewegung, noch mehr Wechsel zwischen den Raumangeboten. Zu Eurem Neustart in Sendling gehört ja, dass Gabriele Werner und ich die geschäftsführende Verantwortung abgelegt und auch keinen festen Arbeitsplatz mehr in der Steinerstraße haben. Wie macht sich das bemerkbar? Das hat sehr zur Klarheit und Verbindlichkeit beigetragen. Die Mitarbeitenden wissen jetzt genau, an wen sie ihre Wünsche, Fragen oder Beschwerden adressieren. Es gibt keine Unsicherheit mehr darüber, ob nicht der eine oder die andere doch noch gefragt oder informiert werden sollte. Ganz wichtig für den Neustart war auch die Entsorgung von ganz viel Altmaterial. Das war schon eine Befreiung und hat beispielsweise Platz gemacht für eine ganz neue Lust an der Digitalisierung. Niemand braucht heute noch Job- oder andere Mappen. Es gibt da diesen bedrückenden Satz, dass sieben von zehn Transformationsprojekten scheitern. Ich würde sogar sagen, dass zwölf von zehn Transformationsprojekten scheitern. Mit diesem Begriff habe ich allein schon ein semantisches Problem. Genau genommen bedeutet Transformation ja, dass etwas eine komplett neue Form annimmt, eine Form, die vorher nicht existiert hat. Ich wäre danach nichts mehr von dem, was ich vorher gewesen bin. Das ist doch einfach Blödsinn. Ich kenne keinen natürlichen Transformationsprozess, der jemals funktioniert hat. Etwas anderes ist es, wenn sich eine Firma wie Nokia komplett neu aufstellt, also vom Gummistiefelhersteller zum Elektrokonzern transformiert wird. Oder als aus der Preussag die TUI wurde. Das ist dann kein Prozess aus einem inneren Antrieb heraus, sondern eine brachiale strategische Entscheidung – die zumeist kapitalgetrieben ist. Unser Wandel hingegen ist geprägt vom sensiblen Wahrnehmen von Zeitzeichen, vom Optimieren … oder auch ganz einfach von der Lust am Ausprobieren. Ich empfinde das als organisch. Ein Prozess, der das Alte würdigt und das Neue in Ruhe entwickelt. Um nochmal auf Nokia zurückzukommen: Der alte Nokia-Chef hat keine Handys gebaut … dies war ein neuer Nokia-Chef! An was denkst Du, wenn Du an unser Fest Moving Moments zurückdenkst? Am meisten freut mich an diesem Fest, dass es von einer durch und durch positiven Stimmung getragen war, so gar nichts Beschwerliches hatte. Es war ein toller Abend, an dem auch die Vorfreude auf das Neue ihren Platz hatte. Da war das Gefühl, dass etwas Gutes zu Ende geht und etwas gutes Neues beginnt. Wir hatten ja auch genug Zeit vorher, um zu überlegen Was nehmen wir mit und was nicht. Also, den Grill haben wir mitgenommen. Den werfen wir sicher demnächst an. Anderes ist noch nicht geklärt und einige Päckchen nicht ausgepackt. Wohin soll sich unsere montagmorgendliche Besprechung im gesamten Team, unser Morgenrot entwickeln? Wie bringen wir eingeführte Rollenbilder in Bewegung? Du siehst, der Wandel ist nicht vorbei – er ist und bleibt ein On-going-Projekt. [bk/gw]
|
|
Kochen mit Umzüge Braun: Ein Festessen in zwölf Akten. Rezepte unter anderem für Löwenzahnsalat, Waldmeisterparfait, Bloody Mary und Sandkuchen. Aus Umzüge Braun – Münchens freundliche Möbelpacker wurde kurzerhand Umzüge Braun – Münchens feinste Erlebnisgastronomie. Und Erich Braun immer mit dabei …
|
|
Fünf Treppen führen in den zweiten Stock im Haus Steinerstraße 15c. Oben angelangt wartet eine Installation – ja, im wahrsten doppelten Wortsinn: technisch wie künstlerisch –, als sei sie das Hinweisschild auf einen Ort, an dem Kommunikationsarbeit im besten Sinne geleistet wird: komplex, vielschichtig, überraschend, faszinierend. Gleich danach geht es weiter mit drei Konferenzräumen, deren Namen bla, blabla, blablabla in Leichter Sprache (ja, die beherrscht man hier natürlich auch) von der Kunst zeugen, sich selbst nicht immer allzu ernst zu nehmen. Zugleich macht der Blick durch die großzügige Flucht der Glasräume und Schreibtischinseln klar, wo hier die Kernkompetenz liegt: in der Gestaltung. Das luftige wie loftige Flair lockt nicht nur immer wieder Gebäudenachbarn an, die sich inspirieren lassen wollen, sondern spiegelt perfekt die Stimmung wider, die unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herrscht. Auch wenn man sich quadratmetermäßig verkleinert hat, was zu einer positiv empfundenen räumlichen Nähe führt, genießen alle die optische Weite, das hereinflutende Licht und eine gewisse Ungebundenheit der Arbeitsplätze, die flexible Teamkonstellationen jederzeit problemlos abbilden kann. »Freiheit,« so beschreibt eine langjährige Mitarbeiterin das Grundgefühl hier, »ich finde es so befreiend, beim Umzug all den Ballast hinter mir gelassen zu haben, den ich in den Jahren angesammelt hatte. Natürlich fehlt jetzt ab und zu etwas aus meinem Archiv. Aber das Schöne ist, dass ich mich frei fühle, einfach eine andere Lösung zu finden!« Es macht also Spaß, sich ab und zu selbst neu zu erfinden. Scheint so, als würde im Moment nur ein einziges, kommunikatives Element wirklich fehlen:
Die großen Kühlschränke im blablablubb halten zwar das kleine Feierabendbier für alle bereit. Aber zum entspannenden Innenhof, der in der Hirschgartenallee der jederzeit verfügbare Ort für die kleine Plauder- und Relaxpause war, sind es hier halt doch fünf Treppen … [sib]
|
|
Wegführungen — Fenster, Tore, Arkaden – hängende Papierschnitte, durch die wir schreiten mit Neugier auf dahinterliegende, ornamental oder streng gerahmte Ausschnitte des Raums. Mit jedem Schritt ein neuer Blick. Starke Farben ziehen vorbei und mit ihnen die Geschichten von Vögeln, Karawanen oder die Erinnerung an die Scherenschnitte, die Henri Matisse in den späten Jahren seines Lebens schuf. »Man läuft durch diese Zeiten durch«, sagt der Künstler Daniel Man. »Jede Schicht stellt etwas dar, ein Ereignis, eine Situation, eine Gegebenheit. Wir schreiten durch bestimmte Farben des Lebens.« Wir danken Daniel Man, dass wir seine Installation beim letzten großen Fest in der Hirschgartenallee zeigen durften! Nächste Haltestelle in purem Weiß, zwei Stockwerke über dem Boden. Unverstellt fließt der Blick durch den ganzen Raum. Von beiden Seiten flutet Tageslicht die blitzsaubere Struktur. Der tapfere Theseus kann Ariadnes Faden jetzt zu Hause lassen.
|
|
»Diese Umzugsbraunleute sind doch die reinsten Hochstapler! Stimmt!« Und Erich Braun immer mit dabei …
|
|
Was bedeutet eigentlich … |
|
Lässt ein Umzug nicht auch an Aufbruch denken, verspricht Neuland und Luft von anderen Planeten? Eine Internetrecherche zum Thema Umzug und Aufbruch brachte indes viel Betrübliches zum Vorschein. Und wenn schon nicht betrüblich, dann doch mindestens fromm, esoterisch gar, tiefen-psychologisierend und allemal irgendwie zergrübelt. Sind wir Menschen also doch alte Grüblerinnen und Grübler und die Deutschen womöglich dabei immer vorneweg – und das ausgerechnet an der Schwelle zu einem glücklichen, ja goldenen Zeitalter, in dem künstliche Intelligenzen versprechen, uns bald von all dem Gram und den inneren Zerwürfnissen eigenen Denkens zu erlösen? Was lag also näher, als auch mal das Gespräch mit einer künstlichen Intelligenz zu diesem Thema zu suchen. Hallo ChatGPT, ein Umzug ist ja immer auch ein Aufbruch. Ist das nicht im Grunde eine ganz schöne Sache? Der Begriff Aufbruch ist in der Regel positiv konnotiert und wird oft mit Veränderung, Erneuerung und Fortschritt assoziiert. Ein Umzug kann durchaus von Aufbruchsgefühlen begleitet sein. (…) Allerdings kann ein Umzug auch mit Unsicherheit, Stress und Ängsten verbunden sein. Also doch nicht alles nur rosig. Wie ist das denn bei uns Deutschen? Sind wir da eher Schwarzseher? Wenn Sie damit meinen, ob es in Deutschland eine Tendenz zu Traurigkeit oder Melancholie gibt, dann gibt es sicherlich einige kulturelle Merkmale und historische Erfahrungen, die dazu beitragen könnten. Zum Beispiel gibt es eine lange literarische Tradition in Deutschland, die sich mit Themen wie Isolation, Einsamkeit und existenzieller Bedeutungslosigkeit auseinandersetzt. (…) Es ist nicht fair, alle Deutschen als Schwarzseher zu bezeichnen, da dies eine stereotype und vereinfachende Sichtweise ist. Es gibt also doch ein Quäntchen Hoffnung? Einen Sinn fürs Positive, am Ende vielleicht sogar für so etwas wie … Humor? Es gibt sicherlich viele Deutsche, die einen Sinn für Humor haben und Witze machen können, die andere zum Lachen bringen. Allerdings gibt es auch einige Aspekte des deutschen Humors, die auf kulturellen oder sprachlichen Unterschieden basieren und daher nicht jedem zugänglich sein können. Also was nun? Insgesamt ist es nicht korrekt oder hilfreich, ein ganzes Volk aufgrund eines Stereotyps zu charakterisieren. Allerdings gibt es einige Stereotypen und Klischees, die mit Deutschland und Deutschen in Verbindung gebracht werden. Aha. Und da wären? Gründlichkeit: Deutsche werden oft als sehr organisiert und detailorientiert wahrgenommen. Pünktlichkeit: Deutsche gelten oft als sehr pünktlich und zuverlässig. Bier: Bier ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Kultur und wird oft mit Deutschland in Verbindung gebracht. Würste: Deutsche Würste, wie Bratwurst oder Currywurst, sind sehr bekannt und beliebt. Autobahnen: Die deutsche Autobahn mit ihren schnellen Geschwindigkeiten ist weltweit bekannt. Oktoberfest: Das größte Volksfest der Welt findet in München statt und wird oft als Inbegriff der deutschen Kultur angesehen. Hm, so richtig toll klingt das ja nicht gerade. Aber trotzdem danke für das Gespräch. Gerne geschehen! Wenn Sie weitere Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. [um]
|
|
Noch eine letzte Frage: Das Lied Tapetenwechsel von Hildegard Knef – ist das nicht irgendwie … deprimierend? Das Lied Tapetenwechsel von Hildegard Knef kann als melancholisch beschrieben werden. Der Text des Liedes handelt von der Sehnsucht nach einem Neuanfang und einem Tapetenwechsel im Leben, aber auch von der Traurigkeit und dem Schmerz, die mit dem Verlassen von vertrauten Orten und Menschen einhergehen können. Die Musik und der Gesangsstil von Hildegard Knef verstärken diesen melancholischen Ton des Liedes.
|
|
Veranstaltungen,
Ausstellungen und mehr aus dem Umfeld der 8daw-Redaktion |
|
munich creative business week (mcbw): Münchner Designwoche 2023
|
Bereits zum 12. Mal findet im Mai wieder Deutschlands größter Designevent in München statt: die von bayern design veranstaltete munich creative business week, oder kurz mcbw. Mit dem Jahresmotto Why disruption unleashes creativity verfolgen über 100 Eventpartner von BMW über Steelcase bis zur Agentur Blackspace in über 130 Veranstaltungen und Ausstellungen den interdisziplinären Austausch zum Verhältnis von Umbruch und Kreativität: Was geschieht eigentlich nach einer Disruption, wie gehen wir Menschen mit einschneidenden Veränderungen um? Wie entsteht Neues aus vergangenen wie aus aktuellen Umwälzungen in unserer Gesellschaft – und welche Rolle übernimmt hier die Gestaltung? Die mcbw 2023 zeigt, wie Design den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und nachhaltigen Wandel zum Positiven vorantreibt.
|
|
Matinee mit Podiumsdiskussion in München: Design küsst Politik
|
Wie schön wäre es doch, wenn die Designbranche mehr Einfluss in der Politik gewinnen würde und mit ihren kreativen Fähigkeiten zu einer offenen, vielfältigen Gesellschaft und lebenswerten Zukunft beitragen könnte. Und als »Enzym für Innovationen« Ökonomie und Nachhaltigkeit in Einklang bringt. In einer Matinee mit Podiumsdiskussion wird der erste Entwurf einer Design Policy für Deutschland vorgestellt und diskutiert. Nach einer Einführung in das Thema durch Boris Kochan erzählt der CEO von Good Design Australia, Brandon Gien, anschaulich davon, wie gut das in seinem Land bereits gelungen ist. Die wesentlichen Eckpunkte des Vorschlags, die anschließend zuerst auf dem Podium untereinander und dann mit dem Publikum diskutiert werden, stellt die Geschäftsführerin von bayern design, Nadine Vicentini, vor.
|
|
|
|
Das Fundstück dieser Woche ist eigentlich gar kein Fundstück – sondern war mit ein Anlass für diese 8daw-Ausgabe. Schon seit einiger Zeit ist der Mitschnitt des Konzerts von Ulrich Müller und Wolfram Winkel anlässlich des Umzugs von Kochan & Partner bzw. des letzten großen Festes in der Hirschgartenallee am 30. September 2022 fertig abgemischt. 14 Minuten pure Aufbruch- und Umbruchstimmung, so vielfältig, mehrschichtig und gewaltig, wie es zum Abschied nach mehr als 30 Jahren in Nymphenburg sein muss.
|
|
In der 8daw-Ausgabe
BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir uns unter anderem mit dem
Thema geschlechterspezifische Schreibweise beschäftigt. Im Ergebnis fanden
wir die Empfehlung eines Lesers für uns am geeignetsten: »Der Mittelpunkt
(MacOS: Shift+Alt+9; Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der Asterisk *,
stört jedoch deutlich weniger den Lesefluss der Leser·innen,
weil er nicht nach Fußnoten ruft und auch keine Textlücken reißt wie der
Gender_Gap. Im Hinblick auf Lesbarkeit und Typografiequalität also eine
bessere Alternative, und inhaltlich – als Multiplikationszeichen
verstanden – treffend. Oder?« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch
frei, ob sie den Mittelpunkt oder eine andere Form benutzen.
Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind jedenfalls geschlechtsneutral
zu verstehen.
|
|
|
8daw ist der
wöchentliche Newsletter von Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den
Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik, Unternehmen und Organisationen.
Er erscheint in Verbindung mit Kochan & Partner und setzt so die
langjährige Tradition der Netzwerkpflege mit außergewöhnlichen
Aussendungen in neuer Form fort. 8daw versteht sich als Community- und
Kollaborations-Projekt insbesondere mit seinen Leser·innen –
Kooperationspartner sind darüber hinaus zum Beispiel die GRANSHAN Foundation, die
EDCH Foundation, der Deutsche Designtag (DT), der BDG Berufsverband der Deutschen
Kommunikationsdesigner und die Typographische Gesellschaft München (tgm).
|
|
Herausgeber und
Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts
ist Boris Kochan [bk], Steinerstraße 15c,
81369 München, boriskochan.com,
zu erreichen unter boris.kochan@eightdaw.com oder +49 89 178 60-900
()
in Verbindung mit Kochan & Partner
GmbH, Steinerstraße 15c, 81369 München, news@kochan.de
Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sh], Herbert Lechner [hel], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk]; Homepage und Newsletter-Technik: Pavlo Kochan [pk]; Basisgestaltung: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger, beide zu beziehen über TypeTogether; Versand über Mailjet.
Bildnachweis: Bilder Umzüge Braun: © Umzüge Braun Bild von Installation: © Kathrin Schäfer
|
|
|
Ausgabe: #105
Erschienen am: 17. April 2023 [KW16]
Thema: MOVING MOMENTS – 200 Tage danach
Datenschutz | Kontakt | Impressum © 2023 Boris Kochan
|
|
|
|
|
|
|
|