Zumeist wöchentliche Streifzüge mit Boris Kochan & Freund·innen rund um den Wandel in Gesellschaft & Kultur, Unternehmen & Organisa­tionen.

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ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel

mit Boris Kochan und Freunden am 12. März 2023

 
 

{% if data:du_version:"" %}[[data:du_version]],{% elseif data:anrede == "Herr" %}Lieber Herr [[data:lastname]],{% elseif data:anrede == "Frau" %} Liebe Frau [[data:lastname]],{% else %}Sehr geehrte Damen und Herren,{% endif %}

einer Tradition meines bereits vor mehr als 20 Jahren verstorbenen Vaters folgend, höre ich bis heute am Sonntagvormittag gerne Kantaten von Johann Sebastian Bach. Einer der bedeutendsten, wenn auch nicht unumstrittenen Interpreten ist der Klassik-Exzentriker und Ökobauer Sir John Eliot Gardiner mit seinem Monteverdi Choir und den English Baroque Soloists. Gemeinsam haben sie im Jahr 2000 das Kunststück fertiggebracht, fast alle der 200 erhaltenen Kirchenkantaten an den Feiertagen zu singen, für die sie geschrieben wurden. Die Kantate Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen ist eigentlich für den dritten Sonntag nach Ostern bestimmt – und führt, dem zugrundeliegenden Evangelientext folgend, aus der Oboe-getragenen Schwermut des Beginns in eine kraftvolle, dem Unbill des Lebens widerstehende Bass, die mit der konturierenden Trompete ins Fröhliche strebt: Eure Traurigkeit soll in Freude verkehrt werden!         

So wie Bach in der Lage ist, Entwicklungslinien hochintelligent musikalischen Ausdruck zu verleihen, so sehr hat eine leider weitgehend vergessene feministische Ikone des späten 19. Jahrhunderts dem Schauspiel eine neue, die moderne Prägung von heute gegeben. Auch wenn das Meinungsbild ihrer Zeitgenossen zu ihrem Spätwerk wahrhaftig nicht einheitlich war, hat Eleonora Duse es als erste verstanden, eins mit ihren Rollen zu werden. In ihrem subtilen Spiel verkörperte sie vielfach leidende, dafür aber willensstarke, leidenschaftliche Frauen: »Die Kunst anderer Frauen gründet in der Verhüllung. Ihre Kunst basiert auf Enthüllung.« schrieb eine Zeitzeugin, die amerikanische Schriftstellerin Willis Cather über die stets Ungeschminkte. Die Duse, wie sie damals genannt wurde, gründete ihre eigene Schauspieltruppe, wurde Intendantin, Regisseurin und Geschäftsfrau. Zugleich unterstützte sie schon früh junge Schauspielerinnen und verschenkte 1914 große Teile ihrer privaten Sammlung an die gerade neu gegründete La libreria delle attrici in Rom, der Hausbibliothek der Schauspielerinnen. Denn, das war ihr passendes Credo zur vergangenen Weltfrauentag-Woche: »Ohne Frauen geht es nicht. Das hat sogar Gott einsehen müssen.«

Ich wünsche Ihnen herzlich eine unverzagte, ins deutlich Fröhliche strebende Woche!
Boris Kochan

 

Natürlich haben wir für diese 8daw-Ausgabe einige Portraits der enigmatischen Eleonora Duse ausgewählt, die in ihrer herausragenden Fähigkeit zum puren Ausdruck Patin gestanden hat für die thematische Ausrichtung dieser Woche: Ausdruck und Meinungsbild. Neben unzähligen, beeindruckenden Schilderungen ihrer Kunst von Schriftsteller·innen, Kolleg·innen und Kritiker·innen, gibt es einen einzigen Stummfilm namens Cenere (zu deutsch: Asche), mit dem sie zwar nicht glücklich war, in dem es aber zumindest einige Szenen gibt, aus denen man ihre Kunst erahnen kann. Der Tänzer und Choreograph John Neumeier hat 2015 diesen Film als Eingangssequenz für sein Ballet namens Dusegenutzt, in dem er der Primaballerina Alessandra Ferri die Rolle auf den Körper geschrieben hat.


 

 
Vom Ausdruck zum Eindruck
 

Illustration von Martina Wember:

Was nur haben missmutig verzogene Mundwinkel und ein soeben aus dem Multifunktionsgerät gezogenes Blatt Papier voller Schriftzeichen gemeinsam? Beides ist Ausdruck, wobei Zweites, obwohl banaler scheinend, als Ausgedrucktes und Ausgedrücktes zugleich mit doppeltem Sinn behaftet ist und so tatsächlich die volle Komplexität des Begriffes verkörpert. Etymologisch betrachtet verbindet sich im Ausdruck stets das Drucken mit dem Drücken, technisch sowieso, aber auch in seiner Bedeutung als Widerspiegelung des inneren Zustandes, in Mimik, Gestik, Kunst, wenn Qual und Bedrängnis nach außen dringen. Delsartes Idee, von starren Regeln des emotionalen Ausdrucks auf der Bühne abzurücken zu natürlichem Verhalten, hat den Ausdruckstanz, den modernen Tanz, ebenso beeinflusst wie die berühmte Schauspielerin Eleonora Duse. Sie hat wohl als Erste ihres Fachs bei der Darstellung mehr auf ihr ausdrucksstarkes Gesicht gesetzt als auf übersteigerte Intonation und wildes Gestikulieren.

Dass die Duse als erste Frau das Titelbild des Time Magazins zierte, gilt als Ausdruck der Verehrung und dürfte die Meinung über sie international mitgeprägt haben. Denn Zeitschriften, so feiert der Schriftsteller Rainald Goetz das gedruckte Wort, seien pure soziale Energie, eine Anregungsmaschinerie, die sich aus dem materiellen Zusammensein der unterschiedlichen Autoren mit ihren Texten ergebe. Wobei er die Verkettung der Gedanken durch das Nebeneinander der Seiten und als Vorzug gegenüber den digitalen Medien beschreibt als »gehirnanalog aufeinander bezogen, komplex, nicht nur seriell. Wo viel Energie in die Kombination von Texten eingegangen ist … wird diese Energie vom Objekt beim Durchblättern auf überlegene Art an die Leser weitergegeben.« Vergessen darf man dabei nicht, dass mit der Energie auch Meinung fließt, was dann gefährlich wird, wenn genau der hier gerühmte Facettenreichtum fehlt – ein Eindruck, den die Medienwelt mit der Verengung auf homogene simple Narrative gerade in Krisensituationen allzu leicht vermittelt. [sib]


 
 
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In der 8daw-Ausgabe BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir uns unter anderem mit dem Thema geschlechter­spezifische Schreib­weise beschäftigt. Im Ergebnis fanden wir die Empfehlung eines Lesers für uns am geeignetsten: »Der Mittel­punkt (MacOS: Shift+Alt+9; Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der Asterisk *, stört jedoch deutlich weniger den Lese­fluss der Leser·innen, weil er nicht nach Fußnoten ruft und auch keine Text­lücken reißt wie der Gender_Gap. Im Hinblick auf Lesbarkeit und Typografie­qualität also eine bessere Alter­native, und inhaltlich – als Multiplikationszeichen verstanden – treffend. Oder?« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch frei, ob sie den Mittel­punkt oder eine andere Form benutzen. Alle personen­bezogenen Bezeichnungen sind jedenfalls geschlechts­neutral zu verstehen.


8daw ist der wöchentliche News­letter von Boris Kochan und Freunden zu Themen rund um den Wandel in Gesellschaft, Kultur und Politik, Unternehmen und Organisationen. Er erscheint in Verbindung mit Kochan & Partner und setzt so die lang­jährige Tradition der Netzwerk­pflege mit außer­gewöhnlichen Aus­sendungen in neuer Form fort. 8daw versteht sich als Community- und Kollaborations-Projekt insbesondere mit seinen Leser·innen – Kooperations­partner sind darüber hinaus zum Beispiel die GRANSHAN Foundation, die EDCH Foundation, der Deutsche Designtag (DT), der BDG Berufsverband der Deutschen Kommunikations­designer und die Typographische Gesellschaft München (tgm).

 

Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Steinerstraße 15c, 81369 München, boriskochan.com, zu erreichen unter boris.kochan@eightdaw.com oder +49 89 178 60-900 (facebooktwitterinstagram)
in Verbindung mit
Kochan & Partner GmbH, Steinerstraße 15c, 81369 München, news@kochan.de

Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sh], Herbert Lechner [hel], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk]; Homepage und Newsletter-Technik: Pavlo Kochan [pk]; Basisgestaltung: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger, beide zu beziehen über TypeTogether; Versand über Mailjet.


Bildnachweis:

wEFdfdg


Ausgabe: #101
Erschienen am: 12. März 2023 [KW10]
Thema: Ausdruck und Meinungsbild


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