ei8ht days a week – Streifzüge durch den Wandel
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mit Boris Kochan und Freunden am 24. Januar 2025 |
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{% if data:du_version:"" %}[[data:du_version]],{% elseif data:anrede == "Herr" %}Lieber Herr [[data:lastname]],{% elseif data:anrede == "Frau" %}
Liebe Frau [[data:lastname]],{% else %}Sehr geehrte Damen und Herren,{% endif %}
Harald Martenstein schrieb in seiner Kolumne im ZEITmagazin einmal über Zukunftsängste und bemerkte dabei mit dem ihm eigenen Humor: »Mit dem Satz »Du, ich freue mich auf die nächsten 20 Jahre«, kann man sich auf deutschen Partys als interessanter Freidenker oder aber als geisteskranker Freak positionieren.« Witzig formuliert, aber halt auch deprimierend, wenn der Blick in die Zukunft für so viele eben gar kein freudiger ist und Optimist·innen gerne mal als plemplem abgetan werden – frei nach dem Motto: »Was hast Du denn geraucht?« Diese ernüchternde Erkenntnis hat einen anderen Kolumnisten und Journalisten dazu bewogen, den Ängsten und der Trübsal anlässlich des Amtsantritts von Donald Trump einen Appell entgegenzusetzen. Ullrich Fichtner schrieb im SPIEGEL: »Wie schützt man sich im Chaos dieser Tage vor Verzweiflung?« Und weiter: »Es gibt keinen Grund, am Richtigen und Schönen irre zu werden.« Jenes Schöne, von dem Kant sagte: Es sei »Gegenstand eines nothwendigen Wohlgefallens«, oder etwas schlichter formuliert: Es macht einfach Freude. Und es macht dabei mitunter sogar Hoffnung, es könne sich doch noch manches zum Guten wenden. Ist das schon unverbesserlich optimistisch, naiv gar? Aber steckt nicht zum Beispiel in jedem Start-up auch eine Wette auf zukünftiges Gelingen – allen noch so wahrscheinlichen Widrigkeiten zum Trotz? In seinem Jahrhundertroman Die Liebe in Zeiten der Cholera prägte Gabriel García Márquez das Wort von der unvernünftigen Hoffnung. Eine Hoffnung, die den Protagonisten in Márquez’ Roman antreibt, einer scheinbar aussichtslosen Liebe seines Lebens nachzugehen. Andere, mit denen wir uns in dieser Ausgabe aus höchst subjektiver Perspektive heraus beschäftigt haben, entwerfen fantastische, künstlerische (Gegen-)Welten und spiegeln diese an der Realität, oder sie arbeiten sich daran ab, Brücken zu bauen und dabei auch vermeintliche kulturelle Grenzen zu überwinden. Wieder andere versuchen einfach nur mal dem Weltgetöse zu entkommen, nicht um sich von der Welt abzuwenden, sondern um Leere und Raum zu schaffen für Neues: Strategien der unvernünftigen Hoffnung, die auch Strategien des Überlebens sind und denen sich viele weitere hinzufügen ließen. Ich wünsche Ihnen ein hoffnungsvolles Wochenende – gerne auch mal ganz unvernünftig Ulrich Müller
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Ulrich Müller wird in den kommenden 8daw-Ausgaben einmal mehr Boris Kochan vertreten, der sich derzeit neben seinen vielen anderen Verpflichtungen auch noch gemeinsam mit einem engagierten Team der Mammutaufgabe widmet, den ersten deutschen Bundeskongress Design, DIVE´25 auf den Weg zu bringen, den wir auch in unsere Veranstaltungshinweise aufgenommen haben (siehe unten).
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Schönheit und Vergänglichkeit, sind die beiden Pole, zwischen denen die Arbeiten der britischen Fotokünstlerin Maisi Cousins hin- und her oszillieren. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Darin steht Cousins durchaus auch in der Tradition des Barocks, wo der Opulenz der Bildwerke häufig auch das Motiv der Vanitas, des leeren Scheins und der Vergänglichkeit zumeist in Gestalt eines Totenschädels zur Seite gestellt wurde. Doch die Parallelen zum Barock reichen noch weiter. Da ist nicht nur das Genre des Stilllebens selbst, das im Barock eine Blütezeit erlebte, sondern es sind auch die minutiös inszenierten Arrangements der Motive in Cousins Fotografien, die an barocke Wunderkammern en miniature denken lassen. Cousins Bilderwelt ist ein auf den ersten Blick knallbunter Farbenrausch, doch unter der schillernd glänzenden Oberfläche hausen auch Zerfall, manchmal gar Tod und Verwesung, lässt sich doch die Schönheit, wie das Leben selbst, erst im Wissen um ihre Vergänglichkeit feiern.
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Keine Flucht aus der Wirklichkeit |
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Wenn schon aus der Frühstückspresse bizarre Bilder aufstieben, aus denen wildgewordene Clowns aus dem Stand hinter weltmächtigsten Rednerpulten hervorhüpfen, wenn zwischen Müsli und Rührei üble Zweifel an der (welcher?) Realität aufdampfen und Fragezeichen ins Unermessliche wuchern, dann weiß ich mich von meinen Freunden, den Surrealist·innen, heilsam umfangen.
Armselig erschien ihnen die vermeintlich rationale Welt. Fasziniert von Sigmund Freuds psychoanalytischen Theorien öffneten sie in den 1920er Jahren die Schleusen zum Unbewussten, gaben dem Unaussprechlichen, den Träumen, den Visionen und Gespinsten Raum und Ausdruck. Während die Wunden, die der Erste Weltkrieg gerissen hatte, nicht heilen wollten und die kommunistische Revolution in den Bürgerkrieg und zur Diktatur der Kommunistischen Partei führte, suchten die Surrealist·innen den zugelassenen Wirklichkeitsraum erheblich zu erweitern und geltende Normen mit Mitteln der Kunst aufzubrechen. Keine Flucht aus der Realität, vielmehr ein Öffnen und Dehnen und Sprengen von Fesseln erlaubter Denkmuster. Selbst vor politischen Themen von internationaler Reichweite schreckten die Surrealist·innen nicht zurück – wie die Ausstellung Aber hier leben? Nein Danke. Surrealismus + Antifaschismus im Münchner Lenbachhaus bis zum 30. März zeigt.
Flankiert von den Multikrisen unserer Tage, taucht der Surrealismus in der bildenden (Medien-)Kunst wieder auf, zwingt mit schrägen Slapstik-Szenen reale Bedrohungen in den Blick wie etwa Stephan Widera mit Der Untergang Venedigs, zeigt entgleiste Portraits zwischen Wohlwollen und Entsetzen wie Nathaniel Mary Quinn oder entführt mit neuen Stilmitteln in die Labyrinthe uralter Mythen wie Mary Reid und Patrick Kelley. Mit überbordendem Humor hinterfragt der surreale Film Das brandneue Testament des belgischen Regisseurs Jaco van Dormael patriarchalisch geprägte Religionen. Wer sich 106 schlau-vergnügte Minuten gönnen mag, findet den ganzen Film bis zum 28. Januar in der arte Mediathek. [gw]
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Zumeist werden mit dem Surrealismus fantastische Bildwelten verbunden, dabei wagten sich zentrale Figuren der Surrealisten-Szene auch auf das Feld der Literatur. Allen voran André Breton und Philippe Soupault. Aus der Psychologie entlehnten sie den Begriff der Écriture automatique, der automatischen Schreibweise, bei der im Schreibakt dem Unterbewussten möglichst freier Lauf gelassen werden sollte. Mit dieser Methode wollten sie nach der traumatischen Erfahrung des Ersten Weltkriegs »geistiges Neuland erschließen«. Dabei herausgekommen sind unter anderem Die magnetischen Felder (Les Champs magnétiques), die als bedeutendstes literarisches Werk des Surrealismus gelten und dank des Verlags Das Wunderhorn auch in der deutschen Übersetzung vorliegen.
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Fast unbemerkt inmitten von Wahlkampfgetöse, Kriegslärm und Feuersbrünsten ist im vergangenen Dezember ein ganz Großer von uns gegangen. Einer, dem das Verbindende zwischen Kontinenten und Kulturen unendlich viel bedeutet hat und der dieses Herzensanliegen in unvergleichlicher Weise gelebt hat: der indische Musiker Zakir Hussein. Wo Trennung und Spaltung und Unversöhnlichkeit bis zum blanken Hass die Schlagzeilen und Diskurse bestimmen, ist es an der Zeit, an diesen Ausnahmemusiker zu erinnern.
Das Weltenverbindende wurde Zakir Hussein in die Wiege gelegt. Sein Vater Alla Rakha galt als einer der bedeutendsten Tabla-Spieler des zwanzigsten Jahrhunderts, der nicht zuletzt durch seinen Auftritt beim Woodstock-Festival gemeinsam mit dem Sitar-Virtuosen Ravi Shankar ein großes westliches Publikum für die indische Musik begeistern konnte. Beide kamen sie aus der klassischen indischen Tradition, beide begegneten sie voller Neugierde anderen musikalischen Kulturen, suchten den Austausch mit westlicher Musik, sei es Klassik, wie in der Zusammenarbeit mit Yehudi Menuhin, oder Jazz. In diesen reichen musikalischen Kosmos wurde Zakir Hussein 1951 in Mumbai hineingeboren. Als Wunderkind an der Tabla galt er, der schon als kleiner Junge die ungeheuer vertrackten indischen Rhythmen ebenso virtuos beherrschte, wie er die raffiniert verästelte Melodiesprache der indischen Musik auch kompositorisch durchdrungen hatte. Doch es war der Jazz, der ihn Anfang der 1970er Jahre in die USA lockte, wo er mit Größen wie Herbie Hancock oder Gary Peacock zusammenarbeitete, um nur zwei Namen zu nennen. Besonders wegweisend wurde aber die Begegnung mit dem britischen Gitarristen John Mclaughlin, der spätestens seit seiner Zusammenarbeit mit Miles Davis als gitarristisches Weltwunder galt und sich seinerseits intensiv mit indischer Musik auseinandersetzte. 1975 war das. Der Beginn einer tiefen Freundschaft und Zusammenarbeit, die bis zu Zakir Husseins Tod währte. Fast 50 Jahre musikalisches Gespräch dieser beiden, unzählige Konzerte, Schallplatten und eine unermessliche, mitreißende Spielfreude, die ansteckt, wie im Mitschnitt eines ganz besonderen Konzerts, das Sie hier genießen können. Freude pur! [um]
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Shakti ist das Sanskrit Wort für Energie und die weibliche Urkraft des Universums. Shakti heißt auch die Gruppe um Zakir Hussein und John Mclaughlin, die im obigen Video in einem Mitschnitt der Tiny Desk Concerts zu sehen ist. Ein Konzertformat des US-Hörfunknetzwerkes NPR, bei dem sich – mehr oder minder unplugged und vor kleinem Publikum – Stars aus Jazz und Pop ein Stelldichein geben, das vom Schreibtisch des Radiomoderators Bob Boilen aus aufgenommen wird – und das Ganze inmitten eines kreativen Chaos aus unzähligen Schallplatten, Büchern, Konzertplakaten, Manuskripten, Kram und Krempel. Musikliebhabern scheint das zu gefallen: Die Konzertmitschnitte werden millionenfach angeklickt.
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Dass europäische Maulwürfe im Winter tatsächlich ihr Gehirn verkleinern, ist eine faszinierende Energiesparmaßnahme, die ihnen das Überleben sichert in der kalten und düsteren Jahreszeit – wenn man sich schon nicht einfach in den Winterschlaf begeben kann, möglichst in einen traumlosen ob der albtraumhaften Wirklichkeit. Einfach mal alles auf Null zurückfahren, möglichst auf Normalnull. Völlige Leere, wie in der makellos geweißelten Neubauwohnung, bevor sie mit Umzugskisten und Gerümpel vollgestellt ist. Nicht dumpfe innere Apathie, sondern ein ruhiger leerer Raum, der offen ist für alle Möglichkeiten, Hoffnungen, Freiheiten. Das Konzept der Leere beflügelt seit Jahrtausenden Phantasie und Philosophie, Künstler und Denker. Die Atomisten in der Antike von Leukipp bis Lukrez sahen die Leere als aktiven Bestandteil der kosmischen Ordnung, der die Voraussetzung für die Bewegung der Atome darstellt, im Buddhismus bedingt die Leerheit, Shunyata genannt, als fehlender fester Wesenskern alles Seienden die Möglichkeit ständiger Veränderung und der Existenzialist Sartre leitete aus der Leere des Seins den Aspekt menschlicher Freiheit ab. Zeit, sich auf die Leerstellen zwischen unseren Alltagsgewissheiten zu konzentrieren, Selbstbilder zu hinterfragen, Weltbilder neu zu denken. Und das aber bitte nicht nach Maulwurfsmanier – zumal einer Gehirnabnahme um 11 Prozent eine Wiederzunahme um lediglich 4 Prozent folgt, was langfristig ein wirklich bedenkliches Gap ergibt, und beim Frühlingserwachen wollen wir ja definitiv mit frischer, erweiterter Perspektive aus unserer Multifunktionsthermo-Wäsche schauen … [sib]
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Schon des Öfteren haben wir in unseren Ausgaben an den amerikanischen Komponisten und Musikphilosophen John Cage erinnert. Cage, der auch Buddhist war, entwickelte aus den buddhistischen Lehren heraus sein Konzept von Stille, die er als die Abwesenheit von Intentionen beschrieb. Aber seine Stille war dabei keineswegs eine weltfremde oder weltabgeschiedene. Ganz im Gegenteil: Es geht um eine Stille, die das Leben einlässt, die prallvoll mit Leben sein kann, denn »silence«, so Cage, »can often be very loud!«
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Veranstaltungen,
Ausstellungen und mehr aus dem Umfeld der 8daw-Redaktion |
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DIVE'25: Blind-Ticket-Countdown
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Vom 8. bis 10. Mai findet im Fat Cat in München die Konferenz DIVE’25 | Design trifft Politik, Wirtschaft und Gesellschaft statt. Die supergünstigen Blind Tickets für die DIVE’25 gibt es nur noch bis zum 3. Februar. Ab dann gilt der Early-Bird-Tarif, der 50 Euro teurer ist. Wir nennen es Catdown, wenn die Blind Tickets für die DIVE im Fat Cat zur Neige gehen. Die Katze im Sack zu kaufen lohnt sich: Auch wenn das Line-up noch geheim ist, können wir sagen: Die Macher:innen von Webfontday, Typotag, QVED, EDCH und Co. did it again. In Kombi mit unserem hochkarätigen Kuratorium aus Markus Frenzl, Boris Kochan, Sabine Resch, Mike Richter und Karin Schmidt-Friderichs unschlagbar! Mehr Informationen zur DIVE’25 und natürlich Tickets gibt es auf der soeben live gegangenen neuen Website.
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Iggy Pop auf Tournee in Deutschland
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Der »Godfather of Punk«, Iggy Pop, kommt im Sommer 2025 für fünf Open-Air-Konzerte nach Deutschland. Der US-Musiker hat mit seiner Band The Stooges und als Solokünstler die Musiklandschaft revolutioniert. Alben wie »The Stooges«, »Funhouse« oder »Raw Power« erlangten ebenso Kultstatus wie seine Soloalben »Lust For Life« und »The Idiot«. Das letzte Soloalbum »Every Loser« erschien 2023. Im Sommer wird Iggy Pop 78 Jahre alt sein. Er leidet an Skoliose und auch die Hüfte zwickt. Das wird ihn aber sicher nicht davon abhalten, in Hamburg, Berlin, Halle, München und Köln exaltiert wie eh und je aufzutreten und eine tolle Bühnenshow abzuliefern. Noch gibt es für alle fünf Konzerte Karten, sie kosten gut 80 Euro. Hoffen wir, dass Iggy Pop in Anbetracht seines Alters wenigstens die Hose anlässt.
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Überlebensstrategien in der Welt der Camper, wenn es denn ein Roadtrip für möglichst minimales Geld und einem dafür optimierten Fahrzeug sein soll, das zudem auf engstem Raum parken kann. Und voilà: der kleinste Camper der Welt. Unter dem Namen justin.nedved hat dieser junge Mann in Handarbeit seinen Kleinstwagen zu einem reisetauglichen Multifunktionsfahrzeug umgebaut, in dem er sogar eine Schlafgelegenheit untergebracht hat. Für Menschen mit Rückenbeschwerden vielleicht nicht ganz optimal, aber auf alle Fälle ein prima Beispiel für die Launen menschlichen Erfindergeistes.
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Seit der 8daw-Ausgabe BETA #13 vom 24. Juli 2020 haben wir für auf uns auf Empfehlung eines Lesers entschieden: »Der Mittelpunkt (MacOS: Shift+Alt+9; Windows: Alt+0183) wird eingesetzt wie der Asterisk *, stört jedoch deutlich weniger den Lesefluss der Leser·innen, weil er nicht nach Fußnoten ruft und auch keine Textlücken reißt wie der Gender_Gap.« Wir stellen unseren Autor·innen jedoch frei, ob sie den Mediopunkt oder eine andere Form benutzen. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind jedenfalls geschlechtsneutral zu verstehen.
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Herausgeber und Chefredakteur von 8daw sowie verantwortlich im Sinne des Presserechts ist Boris Kochan [bk], Steinerstraße 15c, 81369 München, boriskochan.com, zu erreichen unter boris.kochan@eightdaw.com oder +49 89 178 60-900 in Verbindung mit Kochan & Partner GmbH, Steinerstraße 15c, 81369 München, news@kochan.de
Redaktion: Ulrich Müller [um] und Gabriele Werner [gw]; Chefin vom Dienst/Lektorat: Sigrun Borstelmann [sib]; Kalender: Antje Dohmann [ad]; Regelmäßige Autoren: Markus Greve [mg], Sandra Hachmann [sh], Herbert Lechner [hel], Martin Summ [mas]; Illustrationen: Martina Wember [mwe]; Bildredaktion, Photo-Editing: Pavlo Kochan [pk]; Homepage und Newsletter-Technik: Pavlo Kochan [pk]; Basisgestaltung: Michael Bundscherer [mib]; Schriften: Tablet Gothic von Veronika Burian und José Scaglione sowie Coranto 2 von Gerard Unger, beide zu beziehen über TypeTogether; Versand über Mailjet.
Bildnachweis: © Maisie Cousins' Fundstück: © justin.nedved
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